Bei Tränen Mord: Roman (German Edition)
bin
die Hauptverdächtige! Was meinst du, wie ich mich fühle?«
Er räuspert
sich, dann kommt ganz leise: »Wie?«
»Wie ein
Unglücksbote, ein Todesengel. Ich kann keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
»Bist du
unglücklich?«
»Ja, Maurice,
ich bin unglücklich. Macht es dir denn nichts aus, dass so viele Menschen, die wir
kannten, einen Unfall hatten oder sogar gestorben sind?«
»Hmmm …«
Er scheint nachzudenken. »Musst du ins Gefängnis?«
Ich lache
hysterisch auf. »Hoffentlich nicht. Ich habe ja keine Schuld. Aber ich weiß nicht,
wie ich das beweisen soll. Ach, das ist alles so furchtbar.«
»Ich … Ich
mach jetzt Schluss, Lucy. Tschüss.«
Tut, tut,
tut. Er hat aufgelegt.
Was war
das denn?
Na ja, Maurice
kann nichts dafür. Er begreift die Komplexität der ganzen Angelegenheit sicher nicht.
Mein Herz bleibt trotzdem nervös und holpert ab und zu, aber ich versuche es zu
ignorieren. Es hat in den letzten Tagen zu viel zu verarbeiten.
Ich mache
mich fertig und fahre in die Stadt zu meinem Arzt. Ihm erzähle ich alles, und er
füllt mir bereitwillig einen Krankenschein aus, außerdem gibt er mir ein Rezept
für ein sanftes Beruhigungsmittel mit. »Was Sie erlebt haben, wünscht man keinem.
Gute Besserung und vor allem viel Ruhe, Frau Schober.« Er drückt mir mit einem mitleidigen
Lächeln die Hand.
Als ich
nach Hause komme, blinkt der Anrufbeantworter. Frank? Aber der hätte mich sicher
auch auf dem Handy angerufen. Ich drücke auf die Play-Taste.
»Lucinda,
hier ist Rouwen. Rate mal, wer heute in meiner Kanzlei aufgekreuzt ist. Dein Kommissar.
Er will sich tatsächlich scheiden lassen.« Er lacht verlegen. »Gar kein so übler
Kerl. Ich habe ihn falsch eingeschätzt. Also, Schwesterlein, für den würde ich dir
meinen Segen geben. Melde dich mal.«
Als ob ich
Wert auf den Segen meines Bruders legen würde! Aber irgendwie freue ich mich doch
darüber. Frank macht also tatsächlich ernst. Hoffentlich zieht seine Frau mit!
Ich rufe
Kat an, um ihr alles zu erzählen. Sie reagiert entsetzt auf die Todesgeschichte
von Ilse Crumpf-Saitenstecher und freut sich mit mir darüber, dass Frank und ich
jetzt ein Paar sind.
»Bleib cool,
Sis. Es wird sich bestimmt alles klären, du wirst sehen … Ach, Susa fragt, was mit
deinen Schuhen ist. Mann, ihr habt Probleme!« Ich sehe sie richtig vor mir, wie
sie mit den Augen rollt.
»Meine Manolos!«
An die habe ich gar nicht mehr gedacht. Ach, wie würde es meine Seele trösten, wüsste
ich sie geheilt in meiner Nähe. »Ich rufe den Schuhmacher nachher an und frage,
wann sie fertig werden.«
In der Leitung
piept es. »Kat, können wir Schluss machen? Da will mich jemand sprechen.«
»Ja, mach’s
gut, Süße. Wir müssen jetzt eh weg, die neuen Hennen holen.«
Ich lege
auf. »Hallo?«, melde ich mich gleich darauf. Schon wieder eine Callcenternummer!
»Do is Lena.
Lucy, die han den Maurice verhaftet.«
»WAS? Wer?«
»Der Kommissar.
Der is hier aufgetaucht, und der Maurice is mit ihm in dem Dürri seinem Büro verschwunden.
Nach 20 Minuten sind sie dann wieder rausgekommen, Maurice in Handschellen. Kannst
du dir das vorstellen? Der Bulle hat se doch nimmeh alle beisammen! Unser Maurice,
der gudde Bub!«
Lena klingt
ehrlich entsetzt. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Mein Herz holpert erneut.
Langsam beginne ich zu begreifen.
»Ja, der
gute Bub«, krächze ich. »Lena, ich bin krank, ich bleibe ein paar Tage zu Hause.«
»Gute Besserung!«
»Ja, danke«,
murmle ich tonlos und lege auf.
Dann versuche
ich, Frank zu erreichen, aber er drückt mich einfach weg. Ich rufe auf der Dienststelle
an und spreche mit einer Tina Soundso. Sie klingt eigentlich ganz nett, aber auch
ein bisschen schnippisch. »Kommissar Kraus ist in einer Vernehmung, ich kann ihn
jetzt nicht stören. Er wird sich bei Ihnen melden.«
Und dann beginnt die schlimmste
Stunde meines Lebens. Ich gehe in meiner Wohnung im Kreis wie ein Bär im Zoo. Was
ist nur geschehen? Wieso um alles in der Welt Maurice? Der kann doch keiner Fliege
was zuleide tun. Oder habe ich mich so in ihm getäuscht?
Ich werde
noch wahnsinnig. Aber ich habe auch keine Idee, wen ich anrufen könnte, um Genaueres
zu erfahren. Das Telefon klingelt, ich sprinte hin und erkenne die Nummer meiner
Eltern auf dem Display. Oh nein, dazu fehlt mir jetzt der Nerv.
Meine Mutter
spricht aufs Band. Ich höre an ihrer Stimme, wie unwohl sie sich dabei fühlt. »Lucinda,
dein Bruder hat mir die Neuigkeiten
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