Beichte eines Verfuehrers
Katie fragen, ob sie Lust auf eine Tasse Kaffee hat.“
„Ja klar, wieso nicht?“ Er klang ungeduldig, als hätte ich ihn unterbrochen.
„Was machst du gerade?“
„Ich arbeite ein bisschen“, sagte er und räusperte sich. „Mit Katie, ja? Grüß sie von mir.“
„Ein bisschen arbeiten“ bedeutete schreiben. Ich lächelte plötzlich. „Woran arbeitest du?“
„Irgendwas, nichts Besonderes“, sagte er stur. Wenn er nichts verraten wollte, bedeutete es definitiv, dass er an etwas schrieb.
Ich drang nicht weiter in ihn. Es war toll, wenn Adam wieder schrieb. Ich hätte Purzelbäume machen können vor Freude. „Also gut, dann bis später.“
„Viel Spaß.“
„Für dich ist das bestimmt in Ordnung?“, fragte ich.
„Ja. Alles bestens.“ Er klang schon wieder leicht ungeduldig.
„Wie geht es Randy?“
Das war zu viel für Adam. „Bestens. Verdammt, Sadie, welchen Teil von ’ein bisschen arbeiten’ hast du nicht verstanden?“
„Entschuldige. Sagst du ihm, dass ich um fünf daheim bin, wie ich es ursprünglich geplant hatte?“
„Ja. Bis später.“
„Ich liebe dich“, sagte ich, aber als Antwort kam nur ein Tuten. Adam hatte aufgelegt.
„Blödmann“, sagte ich liebevoll. Dann rief ich Katie an.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich ein wenig Abwechslung gebraucht habe.“ Katie prostete mir mit ihrem Latte-Glas zu. „Ich meine, ich liebe meine Kinder, aber wenn ich mit ihnen den ganzen Tag zu Hause bin, werde ich verrückt. Evan ist großartig, aber er versteht einfach nicht, wie das ist. Man glaubt nicht, wie sehr man jemanden liebt, obwohl man ihm den Popo abwischt.“
Irgendwas musste sie in meinem Gesicht gesehen haben, denn sie wirkte betroffen. „Ach, Liebes, tut mir leid. Das war …“
„Nein, das ist schon in Ordnung. Du hast ja recht.“ Ich lachte, weil Katie sich nicht schlecht fühlen sollte.
Katie wirkte verlegen. „Ich meine … die beiden Racker sind nichts gegen das, womit du jeden Tag zu kämpfen hast.“
Ich wollte ihre Worte beiseitewischen, aber sie redete schon weiter.
„Wenn du darüber reden möchtest, Sadie …“
Und dann brach es aus mir heraus. Ich wollte nicht darüber reden.
Trotzdem erzählte ich ihr, wie es war, ein Stückchen Gummischlauch in den Penis deines Mannes zu schieben, damit er pinkeln konnte, wie es sich anfühlte, ihm das Essen klein zu schneiden und ihn zu füttern, immer mit der Angst, er könnte sich an einem Bissen verschlucken. Wie es war, nachts wach zu liegen und zu lauschen, wie der Pfleger ihn umdreht, damit ich beruhigt wieder einschlafen konnte, weil Adam sich keine Druckstellen liegen durfte. Ich erzählte von den Schmerzen in den Armen, den Beinen und im Rücken, wenn ich den Lift bediente, der ihm in seinen Rollstuhl half. Schließlich erzählte ich sogar von Joe und Greg und wie Joes Geschichten mich über Monate am Leben gehalten hatten.
Und dann erzählte ich ihr, wie stolz ich auf Adam war, weil er jeden Tag aufstand, während ich an seiner Stelle längst aufgegeben hätte. Wie sehr ich seine Stärke bewunderte, selbst wenn er schwankte. Wie sehr ich mir wünschte, mehr für ihn zu tun. Und wie sehr ich ihn liebte, selbst jetzt, da uns so vieles wegbrach.
Vielleicht war es zu viel. Denn als ich schließlich atemlos innehielt, stand Katie einfach auf. Im ersten Moment fürchtete ich, sie würde gehen und ich hätte es ihr kaum übel genommen. Ich hatte vier Jahre Kummer innerhalb von einer halben Stunde auf ihr abgeladen.
Aber sie ging nicht fort, sondern verschwand in Richtung Kuchentheke. Sie kam mit den beiden größten Stücken Schokoladenkuchen zurück, die ich je gesehen hatte, stellte die Teller auf den Tisch und reichte mir eine Gabel.
„Wenn ich je eine Frau gekannt habe, die eine Überdosis Schokolade braucht, dann bist du das.“
Eine gute Schwester ist nicht verlegen, wenn du in der Öffentlichkeit in Tränen ausbrichst. Eine bessere wird dir Taschentücher reichen, bis die Tränen versiegen. Die beste Schwester ist aber jene, die dir einen zweiten Latte Macchiato und einen riesengroßen Schokoladenkuchen hinstellt.
„Warum hast du mir nie davon erzählt?“, wollte sie wissen und zeigte mit der Gabel auf mich. „Meine Güte, Sadie, du musstest ja schier verrückt werden.“
„Es ist nicht so einfach, darüber zu reden.“ Ich probierte von der Glasur, die himmlisch schmeckte. „Und du hattest Evan und Lily, und dann warst du wieder schwanger …“
Sie verzog das Gesicht.
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