Beichte eines Verfuehrers
ich mich zurückhalten konnte.
Die Kellnerin brachte unsere Getränke und nahm die Bestellungen auf. Sie fragte diesmal Adam direkt, was er wollte. Als sie verschwunden war, fragte ich: „Siehst du?“
„Ja, schön“, schnappte er. „Was willst du mir damit sagen?“
„Ich will damit sagen, dass du an jeden Fremden unglaublich große Erwartungen hast, wie er sich dir gegenüber verhalten soll. Und darum geht es: Du willst von ihnen enttäuscht werden.“
Er sagte nichts. Ich hielt ihm das Bier mit einem Strohhalm hin. Im College hatten wir das Bier so getrunken, weil man sich damit schneller abschießen konnte. Heute war es einfacher für Adam, so zu trinken,
„Warum will ich enttäuscht werden?“, fragte Adam, nachdem er getrunken hatte.
„Keine Ahnung. Du kannst dann über die anderen Menschen wütend sein und nicht darüber, in einem Rollstuhl zu sitzen.“
Es war lange her, dass wir philosophische Diskussionen geführt hatten. Damals … Stunden hatten wir damit zugebracht, unsere gemeinsame Zeit so zu füllen und kein Thema war uns zu schwer vorgekommen. Ich war glücklich gewesen, ihm einfach zuzuhören. Und jetzt, in diesem Moment, war ich auch glücklich.
„Die Leute sehen zuerst den Rollstuhl. Findest du nicht, sie sollten ein bisschen mehr Rücksicht nehmen und mir das nicht so offensichtlich zeigen?“
Ich schüttelte den Kopf. „Nein. Aber du könntest geduldiger mit ihnen sein.“
Er grummelte. „Bier.“
Ich hielt ihm die Flasche hin und er trank. „Ich fürchte, ich habe nicht so viel Geduld wie du, Sadie.“
„Nein, wirklich? Da wäre ich ja nie drauf gekommen …“
Wir lächelten uns verschwörerisch an. Ich hatte mich ihm lange nicht mehr so nahe gefühlt. Unser Essen kam. Wir ignorierten die Leute, die uns vermutlich beobachteten und bedauerten. Während ich Adams Essen klein schnitt und ihn fütterte, unterhielten wir uns. Nichts Besonderes, aber es war schon viel besser als zuletzt, obwohl es weit von unserer früheren Leichtigkeit entfernt war.
Das Restaurant zu verlassen war schwerer als hineinzukommen. Inzwischen hatte es sich gefüllt. Jeder Tisch war besetzt und immer wieder standen Stühle im Gang, an denen wir nicht vorbeikamen. Wir mussten auf uns aufmerksam machen und die Leute bitten, für uns beiseitezurücken. Aber Adam blieb ruhig. Er hatte sich unser Gespräch wohl zu Herzen genommen, denn er verbreitete eine höfliche und fröhliche Stimmung, obwohl die Leute uns anstarrten und die Köpfe zusammensteckten, wenn wir an ihnen vorbeigingen. Ich folgte Adams Rollstuhl, um ihm zu helfen, wenn er irgendwo hängen blieb.
In einer großen Stadt war es ein Zufall, wenn man jemandem begegnete, den man kannte. Aber in Harrisburg musste man jederzeit damit rechnen. Ich hatte mir schon gedacht, ein paar Bekannte im Restaurant zu treffen. Womit ich nicht gerechnet hatte, waren winzige Perlenohrringe und ein blonder Bauernzopf.
„Entschuldigen Sie“, sagte Priscilla, als sie ihren Stuhl beiseiteschob, damit Adam vorbeikam. Aber ich sah sie nicht an.
Sondern Joe.
„Danke“, sagte Adam, als er vorbeirollte.
Ich blieb wie angewurzelt stehen und wir starrten uns eine halbe Ewigkeit an. Ich schaute zuerst weg und legte die Hände auf Adams Rollstuhl, obwohl er das nicht mochte. Vielleicht dachte ich, so ginge es schneller voran, aber das war keine gute Idee.
„Sadie, lass das“, sagte Adam irritiert. „Warte einen Moment, da vorne muss jemand aus dem Weg gehen.“
Die Leute starrten jetzt erst recht auf unsere kleine Prozession, aber Adam blieb ruhig. Ich war diejenige, deren Hände zitterten und die verzweifelt hier rauswollte. Meine Wangen glühten. Ich wollte weg, aber vor mir befand sich Adam und links und rechts war ich von Tischen umgeben.
„Hier.“ Joe stand auf und ging zu einem Mann, der Adams Rollstuhl im Weg stand. Er tippte ihn auf die Schulter. „Können Sie bitte ein Stück rücken?“
Joe schob die Stühle beiseite und machte den Weg in kürzester Zeit frei, ohne daraus ein Drama zu machen. Er bückte sich sogar nach einer Serviette, die normalerweise kein Problem für Adams Rollstuhl darstellte, aber durchaus hinderlich sein konnte. Dann trat er zurück und ließ uns vorbei.
„Danke, Mann“, sagte Adam.
„Kein Problem.“ Ich hörte das Lächeln in Joes Stimme, obwohl ich ihn nicht ansah. „Schönen Abend noch.“
„Joe, Liebling“, zwitscherte Priscilla hinter mir. „Komm, setz dich wieder.“
Ich blickte sie an. Sie lächelte
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