Beichte eines Verfuehrers
nervös, weil ich Adam den ganzen Tag mit einem Fremden allein ließ.
Obwohl er zu spät kam, beruhigte mich das sichere Auftreten des Pflegers. Er trug die weiße, saubere Kleidung des Pflegediensts und sein Händedruck war fest. Er wich meinem Blick nicht aus und stellte sich als Randy vor. Auch wenn er erst Anfang zwanzig war, schien er mit den Geräten und den Anforderungen, die an ihn gestellt wurden, vertraut zu sein. Ich konnte Adam beruhigt mit ihm allein lassen.
„Schönen Tag, Mrs. Danning“, wünschte Randy.
„Ich weiß, dass ich beim Pflegedienst gesagt habe, dass ich erst um fünf wiederkomme, aber ich schaffe es bestimmt schon gegen zwei. Wenn etwas ist, meine Nummer …“
„Er hat deine gottverdammte Nummer, Sadie“, unterbrach Adam mich. Er und Randy tauschten einen verschwörerischen Blick. Ein letztes Mal küsste ich Adam auf die Wange und ging. Ich musste mich davon abhalten, noch einmal zurückzugehen. Und erst nach zwanzig Minuten griff ich nach dem Telefon und rief an.
„Wenn du hier noch einmal anrufst, lege ich sofort auf“, drohte Adam mir. „Geh schon, genieß die Zeit. Wir sehen uns heute Abend.“
Und dann legte er wirklich auf, der Mistkerl, bevor ich noch etwas erwidern konnte.
„Wenn es eine Sache gibt, die meine Mutter kann, dann ist es das. Sie schafft es, dass die Dinge einfach klappen.“
Elle war nervös. Gerade hatten noch unzählige Leute sie umschwärmt, so wie es nun mal ist, wenige Minuten bevor eine Braut den Gang einer Kirche entlangschreitet. Jetzt waren wir allein, und daran, wie sie den Brautstrauß aus Wildblumen umklammerte, sah ich, wie sehr sie diese kurze Zeit der Ruhe benötigte. Ich war insgeheim stolz auf sie. Ohne Zögern hatte sie ihrer Mutter und der Ehrenjungfer Marcy erklärt, dass sie ein paar Minuten mit mir allein reden wollte. Wir standen in einem abgelegenen Korridor mit Blick auf den Parkplatz.
„Meine Mutter“, fügte sie hinzu, „lebt für solche Dinge. Ernsthaft, ohne sie würden wir immer noch nach Einladungskarten suchen.“
Das war weder der Ort noch die Zeit, um sie zu analysieren. Trotzdem fragte ich beinahe automatisch: „Wie fühlen Sie sich dabei?“
Elles Lächeln wirkte manchmal, als hätte es nicht das Recht, sich auf ihrem Gesicht zu zeigen. „Ich werde heiraten.“
Sie trug ein einfaches tailliertes Kleid aus cremefarbener Wildseide. Den Schleier, der zu der traditionellen jüdischen Zeremonie gehörte, hatte sie noch nicht über das Gesicht gelegt. Es gab keinen Zweifel: Elle war eine Braut.
„Natürlich werden Sie heiraten.“
Sie lachte etwas zittrig. „Danke, dass Sie gekommen sind.“
Ich drückte leicht ihre Schulter. „Ich habe es Ihnen versprochen.“
Sie atmete noch einmal tief durch. „Ich glaub, ich brauche einen Schnaps.“
„Sie schaffen das“, versicherte ich ihr.
„Ja“, sagte sie. Dann straffte sie die Schulter und blickte hinüber zur Tür, die in den Altarraum führte. „Ich weiß.“
Die Trauzeremonie war kurz und wunderschön. Ich fühlte mich ein wenig fehl am Platz zwischen all den Freunden und Familienmitgliedern, die sich versammelt hatten, um Elles und Dans Freude zu teilen. Viel zu selten gibt uns das Leben die Chance, das Leben eines Anderen so zu ändern, dass man es groß feiern könnte.
„Wohin auch immer du gehst, werde ich gehen. Wo immer du bleibst, werde ich bleiben. Deine Familie ist meine Familie und dein Gott ist mein Gott.“
Ich war nicht die Einzige, die sich die Tränen wegwischen musste, als Elle Kavanagh diese Worte sprach und damit Dan Stewarts Ehefrau wurde. Ihre Mutter weinte weniger dramatisch als ich erwartet hatte. Und sogar Dans Augen blitzten verräterisch hell. Elles Gesicht aber strahlte. Sie wusste es genau: Sie hatte ihren Platz im Leben gefunden.
Auch wenn die Einladung ernst gemeint war, ging ich anschließend nicht mit zum Empfang. Stattdessen gratulierte ich Elle und Dan nach der Zeremonie. Als ich wegfuhr, konnte ich beobachten, wie die beiden sich vor der Synagoge fotografieren ließen, mit all ihren Verwandten und Freunden. Sie alle wirkten sehr glücklich. Und ich war für Elle und Dan glücklich. Ich rief Adam an.
„Leg nicht auf“, sagte ich schnell, als er ans Telefon ging.
„Wie war die Hochzeit?“
„Wunderschön. Und wie geht es dir?“
„Bestens.“
Ich klemmte das Telefon zwischen Schulter und Ohr und kramte in meiner Handtasche nach der Geldbörse. „Hör mal, ich habe mir überlegt, ich könnte gleich noch
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