Beichte eines Verfuehrers
Glückwunsch! Das sind doch fabelhafte Neuigkeiten!“
Während sie noch mit einem strahlenden Lächeln meine Hand schüttelte, brach sie plötzlich in Tränen aus. Ich hatte die Taschentücher griffbereit und setzte mich neben sie, um ihre Schulter zu tätscheln, weil sie einen kleinen hysterischen Anfall hatte. Für mich war es nur ein zusätzliches Zeichen für ihre Aufrichtigkeit.
„Tut mir leid“, sagte sie, nachdem die Tränen versiegt waren. „Es ist nur … ich sollte glücklich sein. Und ich bin glücklich! Aber trotzdem kann ich nicht aufhören zu heulen!“
Geräuschvoll putzte sie sich die Nase und atmete tief durch. Sie zitterte und brach erneut in Tränen aus. Ich reichte ihr ein Taschentuch nach dem nächsten, ohne etwas zu sagen. Es gab nicht viel, was ich in diesem Moment für sie tun konnte.
Ich hatte keine schlechte Kindheit gehabt, ich glaube, ich war nicht mal sonderlich unglücklich gewesen. Mein Verhältnis zu meinen Eltern und meiner Schwester war gut, ich war in der Schule beliebt und hatte den Mann geheiratet, den ich liebte. Ich hatte keine „Probleme“ mit meinem Leben. Ich hatte Glück gehabt und verfügte über ein gesundes Selbstbewusstsein.
Weil ich anderen Menschen helfen wollte, die nicht so viel Glück hatten, reifte in mir die Entscheidung, Psychologin zu werden. Es war für mich unfassbar gewesen, dass Menschen sich gegenseitig immer wieder zerstörten. Ich dachte, dass ich mit meiner Beratung etwas verändern würde, dass ich ihr Leben leichter machte und die angerichteten Schäden mit entsprechender Beharrlichkeit beseitigen könnte.
Wenn jemand, der schon so gut vorangekommen war wie Elle, plötzlich so hilflos wirkte, fühlte ich mich nutzlos. Elle hatte zusammen mit mir hart an sich gearbeitet, ohne sich je gegen etwas zu sträuben, selbst wenn es bedeutete, dass sie sich ihren Dämonen stellen musste. Und das war viel schwerer, als vor ihnen davonzulaufen. Ihr Leben war großen Veränderungen unterworfen und sie hatte viel erreicht. Ich war nicht zu bescheiden, um einen Großteil der Lorbeeren für mich selbst einzuheimsen. Schon früher hatte sie oft geweint und gejammert. Sie hatte geschrien und gewütet, ebenso hatte sie in stoischer Ruhe vor mir gesessen. Bis heute hatte ich sie nie so zusammenbrechen sehen, und nie hatte sie so völlig ihre Selbstbeherrschung verloren. Ich wusste, dass sie bisher sehr stolz darauf gewesen war.
Sie schluchzte in ihre Hände, als würde ihr jemand das Herz brechen. Ich konnte nichts anderes für sie tun als neben ihr zu sitzen, ihren Rücken zu streicheln und ihr ein Taschentuch nach dem nächsten zu reichen.
Meine Hand umklammerte sie so fest, dass mir die Finger taub wurden. Sie wurden nass von ihren Tränen, die sich wie heiße Säurespritzer anfühlten. Ihr Körper schüttelte sich und jedes Schluchzen klang so hart wie brechendes Glas.
„Es ist in Ordnung, wenn Sie Angst haben“, sagte ich schließlich.
Elle nickte und wischte sich über das Gesicht, bis die Tränen schließlich versiegten und sie nur noch ein paarmal schniefte. Schließlich seufzte sie leise und ließ meine Hand los. Mit einer Handvoll Taschentücher wischte sie noch einmal über ihr Gesicht und strich sich eine Strähne ihres Haars hinter das Ohr. Sie starrte wieder auf ihre Hände.
„Ich habe wieder angefangen, zu zählen.“
Ich streichelte ihre Schulter und stand auf, um uns beiden Limonade aus dem Kühlschrank zu holen. Sie trank ihr Glas in einem Zug aus und ich goss ihr nach, bevor ich mich mit meinem Glas neben sie setzte.
„Und das bereitet Ihnen Sorgen.“
„Natürlich tut es das“, sagte sie. „Aber es hilft mir auch.“
Wenn Elle gestresst war, hatte sie die Angewohnheit, Dinge zu zählen – Kacheln, Blätter, Fenster, was gerade da war.
„Es ist gut, wenn Sie wissen, warum Sie wieder Dinge zählen“, sagte ich. „Es ist eine Art, sich selbst zu beruhigen. Sie trinken nicht, oder?“
Elle schüttelte den Kopf. „Nein, aber ich nutze Dan aus.“
Sie lachte. Es tat gut, sie lachen zu hören. „Er sagt, es ist ihm egal, aber … dreimal täglich ist für jeden Mann viel. Verstehen Sie?“
Einst hatte ich gewusst, wie es ist. Aber es war sehr lange her, dass ich mir darüber Sorgen gemacht hatte. „Ich wette, es ist für ihn gar nicht schlimm.“
Sie lachte erneut und trank das zweite Glas leer. Nachdem sie es auf den Tisch gestellt hatte, wischte sie sich über die Augen und presste die Fingerspitzen auf die
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