Beichte eines Verfuehrers
Uhr, die im Wohnzimmer stand, verschmolz mit dem leisen Murmeln des Fernsehers aus der Küche. Das gleichmäßige Klappern eines Messers auf einem Schneidebrett vermischte sich mit den beiden Geräuschen. Ich stützte meine Hand auf den gedrechselten Treppenlauf und stellte den Fuß auf die erste Stufe. Das war mein Zuhause, ich genoss den Frieden und atmete mit geschlossenen Augen tief durch.
„Dr. Danning?“
Ich öffnete die Augen. „Hallo, Mrs. Lapp.“
„Sie sind heute früh zu Hause.“ Sie wirkte beunruhigt. „Sind Sie krank?“
„Nein. Ich hatte einen Termin außer Haus und habe mich entschlossen, heute mal eher nach Hause zu gehen.“
Sie schien weiterhin besorgt. Ich vermutete, dass die Aufregung des Nachmittags mir noch ins Gesicht geschrieben stand. Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrhandtuch ab und nickte, aber sie schien nicht überzeugt. Aber vielleicht wusste sie auch einfach nicht, was sie glauben sollte.
„Also gut“, sagte sie. „Möchten Sie, dass ich heute auch früher gehe?“
„Wenn Sie das gerne möchten, kein Problem.“
Sie nickte erneut. „Ich werde Samuel anrufen. Unsere Enkel sind für ein paar Tage bei uns, während Emma und ihr Mann Urlaub machen.“
„Dann sollten Sie erst recht heimgehen“, sagte ich ihr. „Verbringen Sie etwas Zeit mit ihnen.“
Sie strahlte mich an, aber ihr Blick musterte mich immer noch von oben bis unten. „Dann bis morgen.“
Sie eilte davon und ich ging nach oben. Die Stille war hier noch durchdringender. Dennis schlief noch, da er meist erst gegen fünf Uhr aufstand. Adam arbeitete vermutlich.
Auf leisen Sohlen schlich ich zu seiner Tür und schob sie auf. „Adam?“
Er lag im Bett und arbeitete nicht. Sein Computer war eingeschaltet, aber das offene Dokument war leer. Das Gesicht hatte er zum Fenster gedreht, wo die Nachmittagssonne die Schatten der Bäume nachzeichnete.
Tausendmal hatte ich ihn so gesehen, seinen langen, dünnen Körper unter den Laken, die ihn warm hielten, weil er seine Körpertemperatur nicht länger selbst regulieren konnte.
„Hey“, sagte ich leise, meine Stimme kaum mehr als ein Wispern.
Er drehte den Kopf und blickte mich an. Einst hatten seine Augen oder der Schwung seiner Lippen mir gesagt, was er dachte. Er hätte die Hand nach mir ausgestreckt, meinen Namen geflüstert und dann hätte er mich mit ins Bett genommen, wo er mich langsam ausgezogen hätte – oder er hätte mir die Kleider vom Leib gerissen – und wir hätten uns stundenlang geliebt.
„Was machst du denn schon zu Hause?“, fragte er stattdessen. Seine Stimme war von einer aufziehenden Erkältung leicht heiser.
„Ich habe heute den Geschenkgutschein von Katie eingelöst.“ Ich trat ans Bett und setzte mich neben ihn. Mit der Hand strich ich ihm das Haar aus der Stirn. Es war schon wieder zu lang.
„Du brauchst einen Haarschnitt, Captain.“
„Und wie war’s?“ Er musterte mich, und ich fragte mich im Stillen, was er sah.
„Sehr entspannend.“ Erneut fuhr ich mit der Hand durch sein Haar. Es fühlte sich jetzt anders an als früher. Er hatte es immer lang getragen und es war zwischen meinen Fingern wie Seide gewesen. Im Krankenhaus hatten sie ihm den Kopf kahl geschoren und es war drahtiger nachgewachsen. „Lass mich dein Haar schneiden“, sagte ich.
„Es ist okay, wie es ist.“
Mit dem Handrücken strich ich über das Haar. „Sie sind zu lang, sie hängen dir ja sogar schon in den Augen.“
Er seufzte gequält. „Also gut.“
Ich lehnte mich vor und küsste ihn auf die Wange, hielt inne, um seinen Duft einzuatmen. Mein Mann. „Ich hole die Schere.“
Im Badezimmer schrak ich vor meinem eigenen Spiegelbild zurück. Mein Haar hatte sich aus der Frisur gelöst und hing wirr um mein Gesicht. Die Augen waren verweint, die Wangen gerötet und meine Kleidung in Unordnung. Ich hatte die zur Verfügung stehenden Duschen und die Körperlotion im Spa verschmäht und war gegangen, nachdem ich mich angezogen hatte. Ich sah aus, als wäre ich gerade erst aus dem Bett gekrochen. Kein Wunder, dass Mrs. Lapp mich so konsterniert angeschaut hatte. Und jetzt wusste ich auch, was Adam gesehen hatte, als ich zur Tür hereinkam. Ich fragte mich, was er wohl dachte. Ob er mir glaubte, dass es mir gut ging?
Ich griff den Kamm und die Schere aus der Schublade und ging zurück ins Schlafzimmer. Nachdem ich das Bett in eine aufrechte Sitzposition gefahren hatte, legte ich ein Handtuch um Adams Nacken. Noch einmal strichen
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