Beichte eines Verfuehrers
Spieß umdrehe?“ Ich konnte das selbstgefällige Grinsen förmlich aus seiner Stimme heraushören und wandte mich zu ihm um.
„Ich habe mir deine Storys jetzt über ein ganzes Jahr lang angehört, Joe. Ich glaube, es ist nicht mehr als eine schlechte Angewohnheit.“
Ich merkte, wie ihn meine Worte trafen. „Schlechte Angewohnheiten sollte man wohl einfach ablegen, oder?“, fragte er langsam.
Er drehte sich auf dem Absatz um und ging. Panik stieg in mir auf. Joe brach einfach mit den Rollen, die wir im letzten Jahr angenommen hatten. Was bedeutete das? Würde er nicht zurückkommen? Oder hieß es nur, dass er keine Geschichten mehr für mich haben würde?
„Joe!“, rief ich hinter ihm her, aber er drehte sich nicht um. Ich war zu stolz, seinen Namen ein zweites Mal zu rufen. Ich wartete, bis er verschwunden war, bevor ich auf die Bank sank. Die schmerzenden Hände ruhten in meinem Schoß.
Die Pflanzen um mich herum – der tief hängende Schwertfarn – schienen mich zu verhöhnen. Aber solange sie keine Stimme hatten, musste ich ihnen auch nicht zuhören.
2. KAPITEL
Ich lernte Adam kennen, als ich in meinem ersten Jahr an der Universität eine Party besuchte. Es war keine Party im Verbindungshaus, sondern im sogenannten Literaturhaus, einem dreistöckigen, viktorianischen Backsteinhaus. Der gewaltige Bau war schon immer die Heimat der meisten Englischstudenten gewesen. Es war wie eine verschworene Gemeinschaft. Die Graffiti an den Wänden enthielten Zitate von Oscar Wilde, Shakespeare und Robert Burns; die Limericks waren nicht nur intelligent, sondern auch zweideutig. Meine Mitbewohnerin Donna hatte mich eingeladen, sie auf die Party zu begleiten. Donna war schon in einem höheren Semester und hatte mich ein wenig unter ihre Fittiche genommen.
Eigentlich mochte ich kein Bier, trotzdem holte ich mir eins und schaute mich um. Donna ließ mich stehen und gesellte sich zu einem hübschen Kerl, den sie aus einem Seminar kannte. Ich bewegte mich durch die Menge und suchte nach der Toilette. Um mich herum diskutierten betrunkene Studenten über das jambische Versmaß und Symbole in der Dichtung.
Vergeblich suchte ich nach dem Bad. Man hatte mir versichert, die Toilette sei „einfach da vorne durch“, aber stattdessen fand ich in der Küche Adam. Er saß auf der Küchentheke. Seine unbeschreiblich langen Beine steckten in verwaschenen Jeans und er trug die schäbigsten braunen Schuhe, die ich je gesehen hatte. Auf seinem schwarzen T-Shirt prangte der Schriftzug einer bekannten Rockband. Ein Ring glitzerte in einem Ohrläppchen, und sein Haar fiel bis auf die Schultern. In der einen Hand hielt er eine Zigarette, eine Flasche Bier in der anderen.
„Das Klo?“, fragte er knapp, und als ich nickte, wies er auf die kleine Tür direkt neben der Kellertür. „Die Tür lässt sich nicht abschließen. Aber ich pass für dich auf, wenn du magst.“
Er grinste mich an und offenbarte perfekte, weiße Zähne. Die oberen Schneidezähne standen ein bisschen schief, aber gerade dieses winzige Detail machte ihn in diesem Moment für mich mehr als nur interessant. Ich ging zur Toilette, und als ich zurückkam, zog er mich in eine Diskussion über die Bücher von Anais Nin und verglich sie mit der erotischen Literatur der Gegenwart. Für den Rest des Abends verließ ich die Küche nicht mehr.
In dieser Nacht war ich das erste Mal in meinem Leben betrunken.
Als wir später nach Hause wankten, fragte mich Donna, wer er war.
„Ich weiß es nicht“, lallte ich mit schwerer Zunge. „Aber ich bin mir sicher, ich werde ihn heiraten!“
Als ich zwei Wochen später mein Zimmer verließ, um zu einem Seminar zu gehen, sah ich ihn wieder. Er klebte gerade einen Notizzettel an die Zimmertür von Rachael Levine, meiner Verbindungsstudentin. Rachael war versessen darauf, uns immer wieder die Gefahren von Alkohol und unüberlegtem Sex aufzuzählen. Sie war nicht besonders gut darin, ihre eigenen Ratschläge zu befolgen, denn auch mit zweiundzwanzig fiel sie regelmäßig bei den Studentenpartys auf, weil sie zu viel trank. Außerdem ließ sie einen reichen Vorrat an Kondomen in ihrem Zimmer herumliegen, sodass ihn jeder sehen konnte. Hinzu kam, dass sie stets mit ihrem „fantastischen“ Freund angab.
Sein Name war Adam Danning.
Er drehte sich zu mir um und lächelte mich mit jenem Lächeln an, das mich vor zwei Wochen schon um den Verstand gebracht hatte.
„Hey, wir kennen uns“, sagte er.
Zwischen zwei Herzschlägen
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