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Beifang

Titel: Beifang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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leidenschaftslose Gesicht des Richters aufgesetzt.
    Kurz darauf kam er in das Café zurück. »Diese Anwältin hat mich gerade angerufen.« Er griff nach seiner Tasse Kaffee, aber sie war leer. »Nun weiß sogar ich, was Sie mit Ihrer Bemerkung über diesen Landrat gemeint haben... Ist diese Dr. Drautz eigentlich Ihre Auftraggeberin?«
    »Eisholm war es.«
    »Also arbeiten Sie auf eigene Rechnung.« Veesendonk hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. »Sie haben wirklich nicht viel Zeit gebraucht, um das Verfahren Morny ins Schleudern zu bringen. Und womöglich in die Schlagzeilen. Kompliment. Leider dient das alles nicht der Wahrheitsfindung und gewiss auch nicht den Eltern dieser unglücklichen jungen Frau.«
    Berndorf sagte nichts.
    »Aber diese andere Sache, von der Sie zuvor gesprochen haben...«, fuhr Veesendonk fort. »Wieso ein Hochzeitsring? Wieso jüdisch?«
    Statt einer Antwort griff Berndorf zu der Mappe, die er auf dem Tischchen abgelegt hatte, und suchte die Kopien heraus, die ihm die Direktorin des Schmuckmuseums gezogen hatte.
    »Hier!« Er deutete auf einen der Ringe, die auf den Kopien abgebildet waren. »Das Motiv des Sündenfalls finden Sie auch auf Fionas Ring.« Er legte die Vergrößerung daneben, die er von dem Tagblatt -Fotografen bekommen hatte.
    Schweigend, mit zugekniffenen Lippen, sah der Richter die Kopien durch. Auf seiner Stirn hatte sich eine steile Falte gebildet. »Wissen Sie etwas über die Herkunft dieses Rings?«

    »Nein.«
    »Können Sie etwas darüber herausfinden?«
    Statt einer Antwort sah ihn Berndorf nur an.
    Wenig später ging der Richter. Auch Berndorf verließ das Café, die Mappe unter dem Arm. Draußen sah er sich um. Ein paar Schritte weiter lag ein Uhrengeschäft, er kannte den Inhaber, seine kaputte Taschenuhr fiel ihm ein, manches fügt sich eben.
    Ein Mann, barhäuptig, rotgesichtig, die Lesebrille auf der Nase, der Gerichtsreporter Frenzel also, kam die Gasse hoch und blieb, als er Berndorfs ansichtig wurde, ein paar Schritte vor ihm stehen und äugte über seine Lesebrille.
    »Wohin des Wegs?«
    »Zum Uhrmacher«, antwortete Berndorf. »Für meine Taschenuhr ist die Welt um sechs Minuten vor drei stehen geblieben.«
    »Eigentlich eine gute Zeit«, meinte Frenzel. »Da sollte die schlimmste Nachmittagsmüdigkeit schon überstanden sein. Sonst haben Sie nichts in Arbeit?«
    »Und Sie?«, fragte Berndorf zurück.
    »Der Neue Bau ruft zur Pressekonferenz. Ihr Nachfolger hat offenbar einen kapitalen Fisch gefangen.«
    »Tüchtig«, antwortete Berndorf.
    Frenzel legte den Kopf ein wenig schief. »Höre ich recht? Klingt das ein wenig pikiert?«
    »Pikiert? Nein. Aber wollen Sie nicht zur allgemeinen Feststimmung beitragen? Fragen Sie doch, welche neuen Ermittlungen die Kriminalpolizei im Fall Morny in Angriff zu nehmen gedenkt.«
    »Bitte?«, fragte Frenzel.
     
     
     
    Dr. Elaine Drautz sah sich um, ehe sie am Besprechungstisch in Veesendonks Büro Platz nahm, und für einen Augenblick blieb ihr Bild an der Fotografie eines dunkelhaarigen Mannes mit tief eingekerbten Gesichtszügen hängen, der vor einem Schachbrett stand und die Stellung der schwarzen und weißen Figuren mit
einer Aufmerksamkeit musterte, wie sie ein Blumenzüchter einer nicht uninteressanten neuen Rosenkreuzung entgegenbringen mochte. Von seinem Gegenspieler, der vor dem Brett saß, sah man nur den schmalen Rücken und das dunkle und etwas gekrauste Haar am Hinterkopf.
    »Paul Keres«, erklärte Veesendonk. »Einer der ganz Großen. Der Größte vielleicht, jedenfalls im zwanzigsten Jahrhundert, auch wenn er nie Weltmeister war.«
    »Und der Hinterkopf?«
    Veesendonk zeigte ein schmales Lächeln. »Es war eine Simultanpartie. Keres gegen vierundzwanzig Spieler, es war eine große Ehre für mich.«
    »Vierundzwanzig gegen einen?« Elaine Drautz hob die Augenbrauen. »Und? Haben Sie gewonnen?«
    »Er hat mir am Ende ein Unentschieden angeboten, und ich hab’s gerne angenommen.«
    Die Anwältin setzte sich. Sie hatte an diesem Vormittag die Haare hochgesteckt, so dass ihre Nackenlinie betont wurde.
    »Ich denke«, eröffnete sie das Gefecht, »die jüngste Entwicklung im Fall Morny macht eine Abklärung notwendig. Da ich mit meinen Beweisanträgen keine offenen Türen einrennen will, wüsste ich gerne, welche zusätzlichen Ermittlungen das Gericht anordnen wird.«
    Veesendonk schüttelte den Kopf. »Sie haben mir ja am Telefon gesagt, dass Sie oder Berndorf oder vielmehr Sie beide gemeinsam

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