Beifang
Plötzlich runzelte er die Stirn und sah Berndorf an. »Die Bestellung eines Konkursverwalters wird
ja grundsätzlich öffentlich bekannt gemacht, deswegen kann und darf ich Ihnen überhaupt Auskunft geben... aber ich frage mich jetzt doch, welcher Zusammenhang hier besteht und ob dieser Zusammenhang auf Unregelmäßigkeiten hindeutet, auf Dinge, die nicht in Ordnung sind?«
»Welche Dinge sind schon in Ordnung!«, antwortete Berndorf. »Mir geht es um ein Schmuckstück, einen Ring, und seine Herkunft. Vielleicht kann mir dieser Rechtsanwalt Beyschlag helfen, ein Stück des Weges zu rekonstruieren.«
Der Rechtspfleger, ein kräftiger Mann mit schütterem weißblondem Haar auf einem rötlichen quadratischen Kopf, schaute ihn zweifelnd an. »Das gefällt mir nicht, was Sie da sagen. Schmuckstücke, die in eine Konkursmasse eingebracht werden, müssten dort verbucht worden sein. Verbucht und verwertet. Da dürften eigentlich gar keine Fragen offen bleiben.«
Der Mann hat recht, dachte Berndorf. Laut sagte er, es gebe keinen Hinweis auf irgendetwas, das gegen die Konkurs-Ordnung verstoßen würde. Aber wenn es wider Erwarten doch so sei, würde er sich wieder melden.
Kurz darauf setzte der Fahrstuhl Berndorf im Erdgeschoss ab, er verließ das Gebäude und überquerte die Straße zur Altstadt. Es regnete, aber er ging leichtfüßig, geradezu beschwingt. Dabei war er gar nicht sicher, ob er überhaupt weitergekommen war, und wenn es doch so sein sollte, dann war es nur ein winziger Schritt gewesen, und viele lagen noch vor ihm. In Tonios Café sah er niemanden, mit dem er hätte reden wollen, so ging er weiter zu einem Stehcafé, das als Treffpunkt der beamteten Juristen galt. Er warf einen Blick auf die Uhr, es war zehn Uhr vorbei, Zeit also für eine Tasse Kaffee, wenn man dafür die Zeit hatte. Er trat ein, bestellte einen doppelten Espresso, bezahlte und sah sich um, die Tasse in der Hand. An den meisten Tischchen standen Leute, die er nicht kannte und an deren Gesprächen er keinen Anteil nehmen wollte. Ein einzelner Mann lehnte an einem Tisch weiter hinten, er schien ihn - Berndorf - beobachtet zu haben, jetzt hob er die Hand und wies einladend auf den Platz ihm gegenüber.
»Den Freitag gut überstanden?«, fragte Veesendonk, als Berndorf seinen Espresso auf dem Tischchen abgestellt hatte.
»Es ging.«
»Wollten Sie nicht noch eine Revanche?«
»Gewiss«, antwortete Berndorf. Offenkundig hatte der Vorsitzende Richter Veesendonk an diesem Montagvormittag keine Verhandlung zu führen, er schien entspannt und heiter.
»Und wann?«
»Es wird sich schon ergeben.«
»Sie sind, mein Lieber, ein wenig einsilbig an diesem Morgen«, bemerkte Veesendonk. »Haben Sie schon gehört, dass Ihr Nachfolger einen fulminanten Erfolg verbucht hat? Der Fall Eisholm soll geklärt sein.«
»Ich habe davon gehört.«
»Sie haben davon gehört! Sehr elegant, wie Sie das sagen, sehr kühl, sehr distanziert«, lobte Veesendonk ironisch. »Darf ich daraus schließen, dass Sie Ihre Recherchen unbeirrt fortsetzen werden? Ich warte nämlich darauf...«
»Sie warten worauf?«
»Dass Sie meine Jugendliebe Vren ausfindig machen und sich ihre Version von unserer Reise durch die Provence erzählen lassen«, antwortete Veesendonk. »Ich dachte, das hätten Sie sich fürs Wochenende vorgenommen. Sollte ich mich geirrt haben? Enttäuschen Sie mich nicht...«
»Vren interessiert mich zwar sehr«, sagte Berndorf, »aber am Wochenende musste ich einen Landrat besuchen, im Südschwarzwald, wissen Sie...«
Veesendonk hob die Augenbrauen und sah Berndorf wachsam an. »Ich kann Ihnen gerade nicht ganz folgen.«
»Ich nehme an, Sie werden noch davon hören.« Berndorf trank den letzten Rest Espresso. »Wissen Sie, was ein jüdischer Hochzeitsring ist?«
Veesendonk sagte diesmal nichts mehr, sondern sah Berndorf nur an, aufmerksam und abwartend.
»Der verschwundene Ring, den Fiona Morny getragen hat, war ein solcher Hochzeitsring.«
Ein Mobiltelefon klingelte. Der Richter zog es aus seiner Manteltasche und meldete sich. Dann sagte er nur: »Einen Augenblick!«, hob entschuldigend die Hand und ging aus dem Stehcafé, um das Gespräch draußen zu führen.
Durch die Schaufensterscheibe sah Berndorf, dass Veesendonk fast nichts sagte, sondern nur zuhörte, mit plötzlich ernstem, fast zornigem Gesicht. Unvermittelt sah er auf und blickte zu Berndorf, und wieder veränderte sich sein Gesichtsausdruck: Er hatte das wache, aufmerksame,
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