Beifang
Ring«, hörte sich Berndorf sagen, »man hat ihn irgendwann zwischen sechzehnhundert und achtzehnhundert in Siebenbürgen oder Ungarn als Hochzeitsgeschenk für eine jüdische Braut hergestellt oder geschmiedet oder wie immer man da sagt...Aber nun wüsste ich doch gerne, wie Fiona an diesen Ring geraten ist.«
»Ekkehard Morny behauptet...«, setzte Kuttler an, aber Berndorf schüttelte den Kopf. »Fionas Eltern erklären, es hätte eine solche Verwandte in den USA gar nicht gegeben. Angeblich hat Fiona den Ring in Kairo gekauft, für ein paar Dollar, aber diese Geschichte kann nicht stimmen.«
»Und warum nicht?«, fragte Puck.
»Kein Händler in Kairo oder von sonst einem Bazar würde einen solchen Ring für ein paar Dollar hergeben.«
»Und wenn es gar kein echter Goldring war, sondern eine Nachbildung aus Messing oder Doublé?«
»Jüdische Hochzeitsringe«, sagte Berndorf, »sind weder so häufig noch so bekannt, dass es für irgendjemanden einen Grund geben könnte, ein Imitat anzufertigen, hebräische Buchstaben einzugravieren und das Ganze dann ausgerechnet in Kairo feilzubieten...« Er brach ab und runzelte die Stirn. Das
klang vermutlich etwas gereizt, was er da eben vorgetragen hatte.
Puck zuckte die Achseln. »Sind Sie ganz sicher? Vielleicht können jüdische Touristen inzwischen auch Kairo besuchen, und weil man Touristen jeden Kitsch vorsetzt - warum sollten da nicht auch solche Imitate gemacht worden sein?«
Berndorf schwieg, für einen Augenblick verunsichert. Vielleicht maß er dem Schmuck zu viel Bedeutung bei oder die falsche...
»Ich glaube allerdings auch nicht, dass es ein Imitat war«, warf Kuttler ein. »Fiona Morny hätte so etwas nicht getragen. Ich glaube, sie war ein bisschen... ja, ein wenig etepetete. Nur hab ich wirklich bei allen Goldschmieden und Antiquitätenhändlern nachgefragt, aber niemand hat je zuvor einen solchen Ring gesehen.«
»Hier in Ulm hast du nachgefragt?« Puck hatte plötzlich schmale Augen bekommen. »Auch beim Vierneisel?«
Kuttler schüttelte den Kopf. »Wer soll das nun sein?«
»Da sieht man wieder, dass ich mit einem von auswärts zusammen bin! Der alte Vierneisel hatte ein Uhrengeschäft, aber es war ein besserer Trödelladen, in einem kleinen Häuschen in der Neustadt, ich glaube« - sie wandte sich an Berndorf - »Sie müssten es noch kennen. Wenn eine etwas richtig Altes haben wollte, eine Brosche aus Urgroßmutters Zeiten vielleicht oder eine silberne Taschenuhr, dann ist sie zum Vierneisel gegangen, und genauso ist es gewesen, wenn eine so etwas hat verkaufen wollen. Aber vor ein paar Jahren ist er in Konkurs gegangen... Was haben Sie?« Erstaunt sah sie Berndorf an, in dessen Gesicht eine Veränderung vorgegangen war.
Unversehens lächelte er.
»Entschuldigen Sie, Kuttler.« Er stand auf, beugte sich über Puck und küsste sie auf die Wange.
Montag, 18. Februar
Das Büro des Rechtspflegers lag in einem der oberen Stockwerke des Justizhochhauses, aber auf der Nordseite, und so sehr die Kakteen auf der Fensterbank ihre Stachelarme auch gegen den grauen Ulmer Himmel reckten - die Sonne sahen sie nie. »Also Intlekofer und Vierneisel«, wiederholte der Rechtspfleger, vor seinem Aktenschrank stehend, und zog einen Ordner heraus. Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und schlug den Ordner auf. »Ich bin fast sicher, dass das Reisebüro Intlekofer damals von Beyschlag abgewickelt wurde«, sagte er dann, »Anton Beyschlag, mit Ypsilon...«
Berndorf saß auf der anderen Seite des Schreibtischs und bemühte sich, ein interessiertes Gesicht zu zeigen, das keinerlei Anspannung erkennen ließ. Er war mit einer nichtsnutzigen kleinen Vermutung hierhergekommen, die auf nichts als den schieren Zufall gestützt war, dass er gestern von zwei verschiedenen Leuten in einem entfernt verwandten Zusammenhang den gleichen Begriff gehört hatte.
»Da ist er ja«, sagte der Rechtspfleger befriedigt, »... zum Konkursverwalter wird der Rechtsanwalt Anton Beyschlag, Frauenstraße, ernannt...« Er blickte auf. »Und das andere war Vierneisel, ein Uhrengeschäft, sagten Sie?«
»Er hat auch mit Antiquitäten gehandelt«, antwortete Berndorf, »und mit Schmuck.«
»Ich glaube, ich erinnere mich«, meinte der Rechtspfleger, »er hatte seinen Laden in der Neustadt, gar nicht weit von hier...« Er blätterte weiter. »Da ist es ja, es liegt allerdings nicht nur drei, sondern fast sechs Jahre zurück. Und wieder ist der Konkursverwalter Beyschlag...«
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