Beifang
Kannen herumtragen dürfen.«
»Es ist ein vorrangiges Prinzip der Polizeiführung, die Beamten nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten einzusetzen«, antwortete Kuttler würdig und schenkte Kaffee ein.
Frenzel vermerkte bei sich, dass er bei Gelegenheit einen Beitrag über das Betriebsklima im Neuen Bau ins Auge fassen sollte, aber dann setzte sich der Mensch von der Landesausgabe des Lügenblattes neben ihn, und sie tauschten einen Händedruck. Überhaupt war die Runde der Journalisten deutlich grö ßer als sonst, so groß, dass das Team des Regionalfernsehens dies eigens mit einem Kameraschwenk über die beiden Tischreihen links und rechts des Podiums dokumentierte. Offenbar war auch eine ganze Gruppe Münchner Journalisten angereist, an der lässigen Gewandtheit zu erkennen, mit der sie wie beiläufig zu verstehen gaben, dass sie doch noch ein bisschen bedeutender und wichtiger waren als andere.
Er trank einen Schluck Kaffee, schwarz und ungesüßt, dann klopfte Kriminalrat Englin ans Mikrophon, zwinkerte zwei Mal mit dem linken Auge und begrüßte die Vertreter der Medien. Rechts neben ihm saß Ivo Dorpat, links die Kriminalbeamtin Wilma Rohm, zusammen nahmen sie die Stirnseite der im Rechteck angeordneten Besprechungstische ein. Frenzel wunderte sich ein wenig über die herausgehobene Platzierung der jungen Wilma Rohm, fast noch mehr als über den Kaffee austragenden Kuttler - hatte hier ein Exempel zum Thema Frauenförderung statuiert werden müssen?
Freilich, fotogener als Kuttler war Rohms Wilma allemal.
Der Kriminalrat war beim Anlass der Pressekonferenz angelangt, dem Tod Eisholms. »Dieses schreckliche Verbrechen an einem Anwalt, also an einem Organ der Rechtspflege, hat unsere Ermittlungsarbeit in ganz besonderem Maß in Anspruch genommen und unsere Beamten in ganz besonderem Maß motiviert …«
Was hätten die wohl getan, überlegte Frenzel, wäre Eisholm selig kein Anwalt gewesen? Noch immer faszinierte ihn der Anblick
der Wilma Rohm, deren Gesicht ein wenig - aber nur ein klein wenig - gerötet war, die aber sonst sehr gefasst neben Englin saß, als übe sie bereits für künftige Auftritte.
Der Kriminalrat übergab Ivo Dorpat das Wort. »Wie Herr Kriminalrat Englin in seiner Bemerkung über das schreckliche Verbrechen, dem Anwalt Eisholm zum Opfer gefallen ist, bereits deutlich gemacht hat«, hob der Hauptkommissar an, »können wir eine Selbsttötung zweifelsfrei ausschließen - so, wie wir dies übrigens von Anfang an auch vermutet haben...«
Frenzel machte ein paar nachlässige Notizen. Aus der Aussage des Lokführers und aus der Art der Verstümmelungen, die Eisholms Leiche aufwies, hatte ein Experte des Landeskriminalamtes mögliche Bewegungsabläufe rekonstruiert… »Diese Rekonstruktionen haben unseres Erachtens ergeben, dass Eisholm sich nicht selbst vor die Lokomotive geworfen hat, sondern dass er mit großer Wahrscheinlichkeit gestoßen wurde...« Dorpat nickte Kuttler zu, und der nahm einen Packen Computerausdrucke und verteilte sie an die Presseleute. Die Ausdrucke zeigten ein schematisiertes Männchen auf einem Bahnsteig vor einer Lokomotive: zuerst mit herausgestreckter Brust und erhobenen Händen zwei oder drei Schritte vor der Bahnsteigkante, dann - die Hände ausgebreitet, den Kopf zurückgeworfen - mit einem Fuß bereits ins Leere tretend und schließlich vor die Lok stürzend.
»Wir mussten also von einem Fremdverschulden ausgehen«, fuhr Dorpat fort, »und damit stellte sich uns die Frage, wer Gelegenheit und zugleich ein nachvollziehbares Motiv hatte. Und hier haben wir nach sehr detaillierten Recherchen eine auffällige Entdeckung machen können...«
Er gab das Wort an Wilma Rohm weiter, und diese berichtete - ohne ein einziges Mal ins Stocken zu geraten - von dem Fall des Konstanzer Rauschgiftfahnders Günter S., der von Eisholm hinter Gitter gebracht worden war, wenn auch nur für kurze Zeit.
»Wir haben«, jetzt hatte Englin wieder das Wort ergriffen, »dann entschieden, dass wir Günter S. zu den Vorgängen und
zu seinem eventuellen Alibi befragen wollen, aber leider war er trotz der Auflagen, die mit seiner bedingten Entlassung verbunden waren, an seinem Wohnsitz nicht anzutreffen. Unsere Kollegen Wilma Rohm und Ivo Dorpat« - er zeigte auf die beiden neben ihm Sitzenden - »sind dann nach Konstanz gefahren und konnten ihn auch tatsächlich ausfindig machen. Gefunden haben sie Günter S. vor einem Café, wo er offenbar der jungen Frau auflauerte, die Anlass des
Weitere Kostenlose Bücher