Beim ersten Sonnenstrahl (Teil 3) (German Edition)
sein Freund würde ihn küssen, so nah war er ihm. Aber dann wisperte Zahar »Bis später« und huschte aus dem Hauseingang.
Zwei Herzschläge lang blieb David wie gelähmt stehen, bevor sich seine Beine in Bewegung setzten und er an den Passanten vorbeieilte, bis er Zahar eingeholt hatte. »Ich bleibe so lange an deiner Seite, wie ich mithalten kann.«
Als Bannisters Kutsche in eine der überfüllten Hauptstraßen einbog, bekam David kaum noch Luft. An so viel Bewegung war er nicht gewöhnt. Zahar hingegen atmete bloß gering schneller. Zum Glück kam der Zweispänner jetzt nur langsam voran, sodass David wieder halbwegs zu Atem kam.
Irgendwann hatten sie auch einen freien Kutscher gefunden, der die Verfolgung aufnahm. David lag erschöpft auf einer Bank im Inneren des Gefährtes, während Zahar die Nase zum Fenster hinausstreckte. Er war immer noch ein Mensch, obwohl die Verwandlung bereits hätte einsetzen müssen.
***
Sie hatten keine Ahnung, wo sie sich befanden, als Bannisters Zweispänner eine Stunde später vor einem eingezäunten Stadthaus stehen blieb. Wahrscheinlich am Stadtrand von Paris. Hier reihte sich kein Gebäude an das andere, sondern es gab kleine Gärten und manchmal größere Grünanlagen dazwischen. Die Gegend wirkte gepflegt und gehoben.
Nur dem klaren Nachthimmel und seinem Vollmond hatten sie es zu verdanken, in der Finsternis die Umgebung zu sehen. Die Straßen waren schlecht beleuchtet; nur hinter einigen Fenstern der wenigen Häuser brannte Licht.
David ließ den Kutscher ein Anwesen weiter fahren und klopfte dann gegen das Dach. Der Wagen hielt, sie stiegen aus und bezahlten.
Nachdem die Kutsche ratternd davongefahren war, schlichen si ch David und Zahar zu Bannisters Grundstück. Trotz der schwülen Nachtluft erschauderte David. Die Gegend wirkte wie ausgestorben. Niemand war zu sehen und außer dem entfernten Kläffen eines Hundes und dem Schuhu eines Käuzchens gab es auch nichts zu hören.
»Ist er ins Haus gegangen?«, fragte David flüsternd. »Es brennt kein Licht.« Er hielt sich dicht hinter Zahar. Gemeinsam huschten sie am schmiedeeisernen Zaun entlang, auf die Rückseite des Anwesens. Hohe Büsche versperrten ihnen die Sicht hinein. Das gruselige Ambiente färbte auf David ab. Gewöhnlich hatte er Angst im Dunkeln, doch mit seinem Beschützer an der Seite fühlte er sich sicher.
»Er hat das Haus nicht betreten, sondern läuft durch den Garten«, erwiderte Zahar. »In Richtung Fluss.« Er holte tief Luft. »Das ist die Seine. Ich kann ihren typischen Geruch riechen.«
»Du kannst Flüsse anhand des Geruches unterscheiden?«
»Hm«, machte Zahar. »Die Seine ist leicht moorig, während die Themse mehr nach Kloake stinkt.«
David grinste, doch er war wirklich beeindruckt.
»Vorsicht.« Zahar hielt ihn zurück.
Sie kauerten sich hinter einen Busch, der sich an der hinteren Grundstücksecke befand. David sah die Seine als schwarzes Band, auf dem Sterne glitzerten. Das Wasser floss ruhig hinter den Häusern vorbei. Ein Kiesweg führte am Ufer entlang, der vom Mond beschienen wurde. Einige Kiesel funkelten im matten Licht. Nicht weit entfernt ragte eine mächtige Steinbrücke in einem großen Bogen über den Fluss. Das Bauwerk war so hoch, dass flache Frachtschiffe ungehindert hindurchfahren konnten.
Jetzt sah David den Mann auch: Bannister hatte sein Grundstück durch das Gartentor verlassen und schlenderte in Richtung Brücke, auf dessen Seite sich ein Durchgang für die Fußgänger sowie eine Treppe befand.
David und Zahar warteten in ihrem Versteck.
»Er geht auf die Brücke«, wisperte David, als Bannister die Stufen betrat.
Zahar hockte neben ihm und schaute sich nervös um. »Ich habe das Gefühl, wir sind nicht allein.«
»Dämonen?« David fasste nach seiner Hand. Ohne das Amulett hätten sie den Unterweltlern nichts entgegenzusetzen. Er hatte Zahar in der Kutsche gestanden, dass er die Kette nicht trug und der hatte sich verflucht, da er David geraten hatte, sie abzunehmen.
»Ich weiß nicht, Tore rieche ich keine, aber meine Instinkte sind als Mensch nicht so ausgeprägt.« Seufzend rieb er sich über die Schläfe und kniff die Lider zusammen.
»Was hast du?«
»Bin nur müde. Ich wandle mich lieber.« Murmelnd setzte er hinzu: »Wo ich mich eben an die Schuhe gewöhnt habe.« Zahar klang, als wäre es ihm nicht re cht, seine Gestalt zu ändern. Er schlüpfte aus den Schuhen, legte den Mantel ab und öffnete die Knöpfe des Hemdes. Es würde
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