Beim ersten Sonnenstrahl (Teil 3) (German Edition)
zerreißen, wenn seine Schwingen hervorbrachen .
David warf einen Blick über den Strauch. Bannister stand weiterhin auf der Brücke, die Ellbogen auf das Geländer gestützt, und starrte in den dunklen Fluss. Aus dieser Entfernung wirkte er bedrückt.
David lachte innerlich bitter auf. Bannister war ein Mörder. Die sollten keine Gefühle besitzen, das passte irgendwie nicht.
Was machte der Mann im Dunkeln dort oben? Ob er sich mit jemandem traf? Die Straße, die auch über das Bauwerk führte, war verlassen. Auf der anderen Seite führte sie ein Stück das Ufer entlang und bog in ein Waldstück ab. Würde sich ein Gefährt nähern, wäre das Licht von Weitem zu erkennen.
David zog den Kopf zurück. »Ich werde zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen. Gleich, nachdem du dich verwandelt hast.«
Zahar nickte. »Ich bleibe dicht bei dir. Vergiss nicht, er hat einen Mann kaltblütig erstochen. Halte Abstand von ihm.« Er kam näher und berührte Davids Hand, zog sie zu sich, an seine nackte Brust. »Pass auf dich auf.«
»Das werde ich«, sagte David. Sanft fuhr er über Zahars Oberkörper. Ihr Versteck erinnerte ihn daran, welch schöne Momente sie am Ufer der Serpentine erlebt hatten. Das schien Ewigkeiten her zu sein.
Zahar kam noch näher, fasste an Davids Nacken und holte ihn zu sich. Ihre Lippen streiften sich, berührten sich zögerlich, doch dann drückte ihm Zahar einen festen Kuss darauf.
David hätte ihm jetzt so gerne gesagt, wie viel Zahar ihm bedeutete. Aber das war nicht der richtige Ort. Ob das Liebe war, was er spürte? Dieses Sehnen, das sich wie Heimweh anfühlte? Diese Wärme, die sich in ihm ausbreitete, wenn er Zahar bloß ansah? Konnten sich zwei Männer auf dieselbe Art lieben wie ein Mann und eine Frau? Dieselben Gefühle empfinden?
Leider dauerte der Moment zu kurz. Zahar zuckte zurück und legte den Kopf schräg. Seine Augen waren aufgerissen.
Hastig hielt ihm David den Mantel hin, damit er sich den Rosenquarz nehmen konnte. Vielleicht sollten sie verschwinden und morgen wieder herkommen, wenn er das Amulett trug. Immerhin hatte er vier magische Steine dabei; das gab ihm ein wenig Sicherh eit.
»Was hörst du?«, fragte David, dessen Herz so wild klopfte, dass es wahrscheinlich jeder im Umkreis von einer Meile hören konnte .
»Vermutlich nur ein Tier. Ich werde es hoffentlich gleich wissen.« Er atmete tief ein, bevor er in die Manteltasche griff und den schwarzen Stein herausholte.
David wich einen Schritt zurück, wobei er Zahars Kleidung und die Schuhe unter dem Gebüsch versteckte.
Zahar kniete nur mit der Hose bekleidet im Gras und warf den Kopf zurück. Als würde er einen lautlosen Schrei ausstoßen, riss er den Mund auf. Die verlängerten Eckzähne glitzerten im Mondlicht. Seine Muskeln nahmen an Volumen zu; die Krallen entwickelten sich, die Ohren wurden spitz, der Nasenrücken breiter. Seine Haut riss an den Schulterblättern ein und die Schwingen brachen hervor.
Stöhnend atmete Zahar aus. Die Umwandlung, die von knackenden Geräuschen begleitet wurde, bereitete ihm Schmerzen. Schnell kniete sich David vor ihn und drückte ihm die Hand auf den Mund, um die Laute zu dämpfen.
»Verzeih«, wisperte er und Zahar nickte leicht. Schwer atmend streckte er sich auf dem Rasen aus.
David fuhr ihm durchs Haar, wobei er die Hörnerstummel fühlte. »Ist es sehr schlimm für dich?«
»Es ist zu ertragen, nur die Schwingen bereiten die meiste Pein.« Er gähnte herzhaft.
»Dir fehlt Schlaf.« David machte sich Sorgen. Zahar würde schnell an Kraft verlieren und krank werden, wenn er nicht schlief. Das hatten sie in der Zukunftsvision gesehen. Zärtlichkeiten sollten sie vorerst unterlassen. Schnell zog er die Hand weg. Sobald sie zurück in London waren, würde er sich informieren, ob es einen Zauber oder ein Artefakt gab, das seine Fähigkeit fesselte und Zahars Fluch nicht aussaugte.
David warf einen Blick über den Busch. Bannister schien von der Verwandlung nichts bemerkt zu haben, denn er stand nach wie vor auf der Brücke und starrte hinunter ins Wasser.
»Witterst du Gefahr?«, fragte David leise.
Langsam richtete sich Zahar auf. »Die Grillen haben aufgehört zu zirpen und das Käuzchen schweigt ebenfalls. Sie haben meine Wandlung sicher mitbekommen.« Tief holte er Luft und schüttelte den Kopf. »Meine Sinne funktionieren noch nicht richtig, aber ich glaube, Dämonen sind nicht in der Nähe.« Erneut atmete er lang ein. »Das ist ein düsterer Ort. Die Unterweltler
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