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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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waren schmal und so rosig wie das Innere einer Tulpe. Ihr Schlüs selbein war eine Offenbarung. »Ich hab gewußt, daß du darunter schön bist«, sagte ich, und das war die erste Stelle an ihr, die ich küßte .
    Die Fitzgeralds wohnen in Upper Darby, in einem Haus, das einer amerikanischen Durchschnittsfamilie gehören könnte. Doppelgarage, Aluminiumverkleidung, Infoaufkleber im Fenster, damit die Feuerwehr im Notfall weiß, wen sie alles retten muß. Als ich ankomme, geht die Sonne gerade hinter dem Dach unter.
    Auf der ganzen Fahrt hierher habe ich versucht, mir einzureden, daß Julias Bemerkung absolut nichts mit meiner Entscheidung zu tun hat, meine Mandantin zu besuchen. Daß ich schon die ganze Zeit vorhatte, diesen kleinen Umweg zu machen, ehe ich heute abend nach Hause fahre.
    Aber die Wahrheit ist, daß ich zum ersten Mal in all den Jahren, die ich jetzt schon als Anwalt tätig bin, einen Hausbesuch mache.
    Als ich klingele, macht Anna die Tür auf. »Was machen Sie denn hier?«
    Â»Mal nach dir sehen.«
    Â»Kostet das extra?«
    Â»Nein«, sage ich trocken. »Das gehört zu meiner Sonderwerbeaktion des Monats.«
    Â»Ach so.« Sie verschränkt die Arme. »Haben Sie mit meiner Mutter gesprochen?«
    Â»Das versuche ich tunlichst zu vermeiden. Sie ist wohl nicht zu Hause?«
    Anna schüttelt den Kopf. »Im Krankenhaus. Kate ist wieder eingeliefert worden. Ich dachte, Sie wären vielleicht auch hingefahren.«
    Â»Kate ist nicht meine Mandantin.«
    Das scheint sie tatsächlich zu enttäuschen. Sie streicht sich die Haare hinter die Ohren. »Wollen Sie vielleicht reinkommen oder so?«
    Ich folge ihr ins Wohnzimmer und setze mich auf die Couch, eine Palette aus fröhlichen blauen Streifen. Judge beschnüffelt die Ränder des Möbelstücks. »Ich hab gehört, du hast schon deine Verfahrenspflegerin kennengelernt?«
    Â»Julia. Sie ist mit mir in den Zoo gegangen. Scheint ganz in Ordnung zu sein.« Ihre Augen huschen zu meinen herüber. »Hat sie irgendwas über mich gesagt?«
    Â»Sie hat Bedenken, daß deine Mutter vielleicht mit dir über den Fall reden möchte.«
    Â»Worüber gibt’s denn außer über Kate sonst noch was zu reden?« fragt Anna.
    Wir starren uns einen Moment lang an. Alles, was über eine Mandant-Anwalt-Beziehung hinausgeht, macht mich hilflos.
    Ich könnte sie bitten, mir ihr Zimmer zu zeigen, aber kein männlicher Anwalt würde jemals mit einer Dreizehnjährigen allein nach oben gehen, ausgeschlossen. Ich könnte sie zum Abendessen einladen, aber ich glaube kaum, daß sie sich im Café Nuovo wohl fühlen würde, eines meiner Stammlokale, und mir würde ein Whopper nicht bekommen. Ich könnte sie fragen, wie es in der Schule läuft, aber es sind noch Ferien.
    Â»Haben Sie Kinder?« fragt Anna.
    Ich lache. »Was denkst du denn?«
    Â»Ist wahrscheinlich gut so«, räumt sie ein. »Nehmen Sie’s mir nicht übel, aber Sie sehen irgendwie nicht aus wie ein Vater.«
    Das interessiert mich. »Wie sehen denn Väter aus – oder Mütter?«
    Sie scheint kurz darüber nachzudenken. »Na ja, wie so Hochseilartisten im Zirkus, die so tun, als wäre das ein tolles Kunststück, dabei sieht man ihnen an, daß sie eigentlich bloß hoffen, irgendwie sicher auf die andere Seite zu kommen. So sehen Eltern aus.«
    Sie wirft mir einen Blick zu. »Entspannen Sie sich. Ich werde Sie schon nicht fesseln und Ihnen Gangsta Rap vorspielen.«
    Â»Na, wenn das so ist«, witzele ich. Ich lockere meine Krawatte und lehne mich in die Kissen zurück.
    Das zaubert ein ganz kurzes Lächeln auf ihr Gesicht. »Sie müssen nicht so tun, als wären Sie ein guter Freund oder so.«
    Â»Ich will dir überhaupt nichts vormachen.« Ich fahre mir mit der Hand durchs Haar. »Ehrlich gesagt, ist das etwas ganz Neues für mich.«
    Â»Was?«
    Ich deute durchs Wohnzimmer. »Mandanten besuchen. Ein Schwätzchen halten. Einen Fall nach Feierabend nicht einfach im Büro lassen.«
    Â»Na ja, für mich ist auch einiges neu«, gesteht Anna.
    Â»Was denn?«
    Sie dreht eine Haarsträhne um ihren kleinen Finger. »Hoffen«, sagt sie.
    Der Stadtteil, in dem Julia wohnt, ist eine schicke Gegend, wo bekanntermaßen viele geschiedene Singles wohnen, was mich die ganze Zeit irgendwie ärgert,

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