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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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war, sondern einfach nur Julia Romano, und das war nicht gut genug.
    Â»Willst du nicht?« fragte ich.
    Es war einer der Augenblicke, in denen ich wußte, daß wir nicht das Gespräch führten, das wir eigentlich führen müßten. Und da ich diese besondere Grenze zwischen Denken und Tun noch nie überschritten hatte und nicht wußte, was ich sagen sollte, legte ich meine Hand auf die Ausbuchtung seiner Hose. Er rückte von mir weg.
    Â»Weißt du«, sagte er. »Ich will nicht, daß du denkst, ich wäre deshalb hier.«
    Eins kann ich Ihnen sagen: Kein Mensch wird zum Einzelgänger, weil er die Einsamkeit genießt, auch wenn er so tut. Er wird es, weil er vergeblich versucht hat, mit der Welt klarzukommen, und immer wieder von den Menschen enttäuscht wurde. »Aber warum bist du dann hier?«
    Â»Weil du den kompletten Text von ›American Pie‹ auswendig kannst«, sagte Campbell. »Weil ich, wenn du lächelst, deinen etwas schiefen Backenzahn sehen kann.« Er starrte mich an. »Weil du anders bist als alle, denen ich je begegnet bin.«
    Â»Liebst du mich?« flüsterte ich.
    Â»Hab ich das nicht gerade gesagt?«
    Als ich wieder nach den Knöpfen seiner Jeans griff, wich er nicht zurück. Er war so heiß in meiner Hand, daß ich mir vorstellte, ich würde eine Narbe davon zurückbehalten. Anders als ich wußte er, wie es weiterging. Er küßte mich und drang in mich ein, stieß etwas fester, riß mich auf. Dann wurde er ganz ruhig. »Du hast mir nicht gesagt, daß du noch Jungfrau bist«, sagte er.
    Â»Du hast nicht danach gefragt.«
    Aber er hatte es angenommen. Er erbebte und begann, sich in mir zu bewegen, ein Gedicht aus Gliedmaßen. Ich streckte die Arme aus und hielt mich an dem Grabstein hinter mir fest, ein Schriftzug, den ich mit geschlossenen Augen vor mir sah: Nora Deane, 1832 – 1838.
    Â»Mein Juwel«, flüsterte er hinterher. »Ich hab gedacht –«
    Â»Ich weiß, was du gedacht hast.« Ich fragte mich, wie das wohl ist, wenn du dich jemandem darbietest, und er öffnet dich und merkt, daß du nicht das Geschenk bist, mit dem er gerechnet hat, aber er muß trotzdem lächeln und nicken und danke sagen.
    Ich gebe Campbell Alexander die Schuld für mein Pech mit Beziehungen. Es ist mir zwar peinlich, es zuzugeben, aber ich hatte nur mit dreieinhalb anderen Männern Sex, und keiner von ihnen schnitt im Vergleich zu meinem ersten Erlebnis wesentlich besser ab.
    Â»Lassen Sie mich raten«, sagte Seven gestern Nacht. »Der Erste war nur ein Trostpflaster. Der Zweite war verheiratet.«
    Â»Woher wissen Sie das?«
    Er lachte. »Weil Sie das reinste Klischee sind.«
    Ich rührte mit dem Zeigefinger in meinem Martini. Durch die optische Verzerrung sah der Finger zweigeteilt und krumm aus. »Der andere war Surflehrer im Club Med.«
    Â»Das war bestimmt nicht schlecht«, sagte Seven.
    Â»Er sah richtig klasse aus«, antwortete ich. »Und sein Schwanz war so groß wie ein Cocktailwürstchen.«
    Â»Aua.«
    Â»Ehrlich gesagt«, sagte ich nachdenklich, »war er gar nicht zu spüren.«
    Seven grinste. »Dann war er der Halbe?«
    Ich wurde knallrot. »Nein, das war noch ein anderer. Ich weiß nicht mehr, wie er hieß«, gestand ich. »Ich bin nach so einem Abend wie heute am nächsten Morgen wach geworden, und er lag auf mir.«
    Â»Ihre sexuellen Erlebnisse«, stellte Seven fest, »hören sich an wie ein Auffahrunfall.«
    Aber das stimmt nicht ganz. Ein Unfall ist ein Unfall. Ich dagegen springe ja förmlich vor fahrende Autos. Ich lege mich sogar mitten auf die Fahrbahn. In mir steckt irgendein irrationaler Teil, der noch immer daran glaubt, daß Supermann sich nur dann bemüßigt sieht, jemanden zu retten, wenn der es auch wert ist, gerettet zu werden.
    Kate Fitzgerald sieht aus wie ein Gespenst. Ihre Haut ist beinahe durchsichtig, ihr Haar so hell, daß es sich kaum vom Kopfkissen abhebt. »Wie fühlst du dich, Schätzchen?« fragt Brian leise und gibt ihr einen Kuß auf die Stirn.
    Â»Ich glaub, den Ironman-Wettkampf muß ich doch absagen«, scherzt Kate.
    Anna bleibt vor mir in der Tür stehen. Sara streckt die Hand aus. Mehr Ermunterung braucht Anna nicht, und sie klettert zu Kate aufs Bett. In Gedanken präge ich mir diese kleine Geste von Mutter zu Kind ein. Dann sieht Sara mich

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