Beim Leben meiner Schwester
wieder wünschte ich, sie wäre nie geboren worden.«
Das alles kommt mir so bekannt vor, daà ich lachen muÃ. »Ich habe eine Zwillingsschwester. Jedes Mal, wenn ich meine Schwester zum Teufel gewünscht habe, hat meine Mutter mich gefragt, ob ich mir wirklich vorstellen könnte, die einzige Tochter zu sein.«
»Und, konnten Sie?«
Ich lache. »Oh ⦠es hat schon Zeiten gegeben, da konnte ich mir ein Leben ohne sie gut vorstellen.«
Kate lächelt nicht. »Meine Schwester«, sagt sie, » muÃte sich immer ein Leben ohne mich vorstellen.«
SARA
1996 Mit acht ist Kate ein langes Durcheinander aus Armen und Beinen. Ich stecke an dem Morgen zum dritten Mal den Kopf in ihr Zimmer, und jedesmal hat sie was anderes an. Jetzt trägt sie ein rückenfreies Kleid, weiÃ, mit roten Kirschen bedruckt. »Du kommst noch zu spät zu deiner eigenen Geburtstagsparty«, sage ich.
Kate kämpft sich aus dem Oberteil und steigt dann aus dem Rock. »Ich seh aus wie ein Eis mit Schlagsahne.«
»Es gibt Schlimmeres«, entgegne ich.
»Was würdest du anziehen, wenn du ich wärst, den rosa Rock oder den gestreiften?«
Ich schaue mir beide Teile an, sie liegen auf dem FuÃboden. »Den rosa Rock.«
»Magst du die Streifen nicht?«
»Dann zieh eben den gestreiften an.«
»Ich zieh die Kirschen an«, beschlieÃt sie, und als sie sich umdreht, um das Kleid wieder aufzuheben, sehe ich hinten auf ihrem Oberschenkel einen Bluterguà so groà wie ein halber Dollar, als hätte eine Kirsche durch den Stoff abgefärbt.
»Kate«, frage ich, »was ist das?«
Sie verdreht den Oberkörper und betrachtet die Stelle, auf die ich zeige. »Da hab ich mich wohl gestoÃen.«
Seit fünf Jahren ist Kate in Remission. Als das Nabelschnurtransplantat die erwünschte Wirkung brachte, rechnete ich zunächst ständig damit, daà jemand mir sagte, es sei doch ein Irrtum gewesen. Als Kate klagte, ihr täten die FüÃe weh, brachte ich sie auf dem schnellsten Weg zu Dr. Chance, überzeugt, das wären die Knochenschmerzen, die den Rückfall ankündigten, bis sich herausstellte, daà nur einfach ihre Turnschuhe zu klein geworden waren. Wenn sie stürzte, gab ich ihr keinen Kuà auf die Schürfwunden, sondern fragte mich gleich, ob ihre Blutplättchen wohl gut seien.
Ein Bluterguà entsteht, wenn es im Gewebe unter der Haut blutet, meistens â aber nicht immer â ist das die Folge eines kräftigen StoÃes.
Es sind jetzt volle fünf Jahre, erwähnte ich das bereits?
Anna steckt den Kopf ins Zimmer. »Daddy sagt, die ersten Gäste sind schon da, und von ihm aus könnte Kate auch ruhig in einem Mehlsack runterkommen. Wie sieht ein Mehlsack aus?«
Kate hat sich das Sommerkleid über den Kopf gezogen, dann zieht sie den Saum hoch und reibt sich den blauen Fleck. »Komisch«, sagt sie.
Unten sind fünfundzwanzig ZweitkläÃler, ein Kuchen in Form eines Einhorns und ein Student, der engagiert wurde, um aus Luftballons Schwerter und Bären und Kronen zu zaubern. Kate macht ihre Geschenke auf â Halsketten aus Glitzerperlen, Bastelzeug, Barbie-Zubehör. Den gröÃten Karton hebt sie sich bis zuletzt auf â das Geschenk von Brian und mir. In einem Kugelglas schwimmt ein Goldfisch.
Kate wünscht sich schon ewig ein Haustier. Aber Brian ist gegen Katzen allergisch, und Hunde verlangen sehr viel Aufmerksamkeit, was uns auf die Idee mit dem Fisch gebracht hat. Kate ist schier aus dem Häuschen. Sie tauft ihn Herkules und trägt ihn bis zum Schluà der Party mit sich herum. Glänzend wie ein neuer Penny zieht er seine Kreise und begnügt sich damit, nirgendwo anzukommen.
Es dauert nur dreiÃig Sekunden, bis du begreifst, daà du sämtliche Pläne über den Haufen werfen, alles in deinem Kalender streichen wirst, was du anmaÃenderweise dort eingetragen hast. Es dauert sechzig Sekunden, bis du einsiehst, daà du kein normales Leben führst, so sehr du es dir auch eingeredet hast.
Bei einer routinemäÃigen Knochenmarkspunktion â ein Termin, der schon feststand, bevor ich den blauen Fleck entdeckte â wurden abnorme Promyelozyten festgestellt. Ein anschlieÃender Polyemerase-Kettenreaktionstest â mit dem sich die DNA untersuchen läÃt â ergab, daà bei Kate die Chromosomen 15 und 17 verlagert sind.
Das
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