Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
Vom Netzwerk:
und Anna wollte das nicht mehr. Ich habe ihr erklärt, was es für Alternativen gibt.«
    Â»Alternativen? Sie ist dreizehn . Weißt du, wie oft ich mit Kindern zu tun habe, die sich von einem Verfahren etwas ganz anderes erwarten als ihre Eltern? Da verspricht zum Beispiel eine Mutter, daß ihr Sohn gegen den Typen aussagen wird, der ihn sexuell mißbraucht hat, weil sie ihn lebenslänglich verknackt haben will. Doch dem Sohn ist es egal, was mit dem Täter passiert, Hauptsache, er muß nie wieder mit ihm allein in einem Raum sein. Vielleicht findet er aber auch, der Täter sollte noch eine Chance bekommen, so wie seine Eltern ihm eine geben, wenn er mal was ausgefressen hat. Du kannst Anna nicht wie einen normalen erwachsenen Mandanten behandeln. Sie hat nicht die emotionale Reife, unabhängig von ihrer häuslichen Situation Entscheidungen zu treffen.«
    Â»Aber genau darum geht es doch bei diesem Antrag«, sage ich.
    Â»Apropos, Anna hat mir vor nicht mal einer halben Stunde erzählt, daß sie es sich anders überlegt hat. Sie will den Antrag zurückziehen.« Julia hebt eine Augenbraue. »Das hast du nicht gewußt, stimmt’s?«
    Â»Sie hat mir nichts davon gesagt.«
    Â»Ja, weil du mit ihr über die falschen Sachen redest. Du hast ihr erklärt, welche juristische Möglichkeit besteht, ihre Mutter daran zu hindern, Druck auf sie auszuüben, damit sie den Antrag zurückzieht. Klar, daß ihr das nur recht ist. Aber glaubst du im Ernst, sie hat bedacht, was das in Wirklichkeit bedeutet – daß dann ein Elternteil weniger im Haus ist, keiner, der kocht oder sie irgendwohin bringt oder ihr bei den Schulaufgaben hilft, daß sie ihrer Mutter keinen Gutenachtkuß mehr geben kann, daß alle anderen in der Familie sehr wahrscheinlich ganz schön wütend auf sie sind? Was sie von dir gehört hat, waren die Worte keinen Druck mehr . Das Wort Trennung hat sie aus deinem Mund nicht gehört.«
    Judge fängt jetzt laut an zu winseln. »Ich muß gehen.«
    Sie folgt mir. »Wohin?«
    Â»Das hab ich doch gesagt, zu einem Termin .«
    Der Korridor ist mit Türen gesäumt, alle verschlossen. Schließlich finde ich einen Türknauf, der sich drehen läßt. Ich gehe hinein und verriegele die Tür hinter mir. »Gentlemen«, sage ich energisch.
    Julia rüttelt am Türknauf. Sie klopft gegen die winzig kleine Rauchglasscheibe. Ich spüre, wie mir der Schweiß ausbricht. »Diesmal entwischst du mir nicht«, ruft sie durch die Tür. »Ich rühre mich hier nicht von der Stelle.«
    Â»Ich habe zu tun«, rufe ich zurück. Als Judge mich von vorn mit der Schnauze anstupst, grabe ich die Finger in das dichte Fell an seinem Hals. »Ist ja gut«, beruhige ich ihn, und dann dreh ich mich zu dem leeren Raum um.
    JESSE
    Hin und wieder muß ich mir selbst widersprechen und doch an Gott glauben. Zum Beispiel jetzt, als ich nach Hause komme und oben auf der Treppe zu meinem Zimmer eine Klassefrau sitzen sehe, die aufsteht und fragt, ob ich Jesse Fitzgerald kenne.
    Â»Wer will das wissen?« sage ich.
    Â»Ich.«
    Ich setze mein Verführerlächeln auf. »Dann sind Sie bei mir richtig.«
    Lassen Sie mich Ihnen nur noch eben sagen, daß sie älter ist als ich, aber mit jedem Blick spielt das immer weniger eine Rolle – sie hat Haare, in denen ich mich vergraben könnte, und so weiche und volle Lippen, daß ich kaum die Augen von ihnen losreißen kann, um mir den Rest von ihr anzuschauen. Ich hätte Lust, ihre Haut zu berühren, nur um zu sehen, ob sie sich so glatt anfühlt, wie sie aussieht. »Ich bin Julia Romano«, sagt sie. »Ich bin Verfahrenspflegerin.«
    Alle Geigen, die in meinen Adern sangen, verstummen jäh. »Sind Sie von der Polizei?«
    Â»Nein. Ich bin Anwältin, und ich arbeite mit einem Richter zusammen, um Ihrer Schwester zu helfen.«
    Â»Sie meinen Kate?«
    Irgend etwas in ihrem Gesicht verhärtet sich. »Ich meine Anna. Es geht um den Antrag, den sie gestellt hat.«
    Â»Ach das. Ja, ich weiß Bescheid.«
    Â»Wirklich?« Das scheint sie zu überraschen. »Wissen Sie zufällig, wo Anna ist?«
    Ich blicke zum Haus hinüber, dunkel und leer. »Bin ich der Aufpasser meiner Schwester?« sage ich. Dann grinse ich sie an. »Wenn Sie warten möchten, zeig ich Ihnen gern solange meine Briefmarkensammlung.«
    Ich lehne

Weitere Kostenlose Bücher