Beim Leben meiner Schwester
und Anna wollte das nicht mehr. Ich habe ihr erklärt, was es für Alternativen gibt.«
»Alternativen? Sie ist dreizehn . WeiÃt du, wie oft ich mit Kindern zu tun habe, die sich von einem Verfahren etwas ganz anderes erwarten als ihre Eltern? Da verspricht zum Beispiel eine Mutter, daà ihr Sohn gegen den Typen aussagen wird, der ihn sexuell miÃbraucht hat, weil sie ihn lebenslänglich verknackt haben will. Doch dem Sohn ist es egal, was mit dem Täter passiert, Hauptsache, er muà nie wieder mit ihm allein in einem Raum sein. Vielleicht findet er aber auch, der Täter sollte noch eine Chance bekommen, so wie seine Eltern ihm eine geben, wenn er mal was ausgefressen hat. Du kannst Anna nicht wie einen normalen erwachsenen Mandanten behandeln. Sie hat nicht die emotionale Reife, unabhängig von ihrer häuslichen Situation Entscheidungen zu treffen.«
»Aber genau darum geht es doch bei diesem Antrag«, sage ich.
»Apropos, Anna hat mir vor nicht mal einer halben Stunde erzählt, daà sie es sich anders überlegt hat. Sie will den Antrag zurückziehen.« Julia hebt eine Augenbraue. »Das hast du nicht gewuÃt, stimmtâs?«
»Sie hat mir nichts davon gesagt.«
»Ja, weil du mit ihr über die falschen Sachen redest. Du hast ihr erklärt, welche juristische Möglichkeit besteht, ihre Mutter daran zu hindern, Druck auf sie auszuüben, damit sie den Antrag zurückzieht. Klar, daà ihr das nur recht ist. Aber glaubst du im Ernst, sie hat bedacht, was das in Wirklichkeit bedeutet â daà dann ein Elternteil weniger im Haus ist, keiner, der kocht oder sie irgendwohin bringt oder ihr bei den Schulaufgaben hilft, daà sie ihrer Mutter keinen Gutenachtkuà mehr geben kann, daà alle anderen in der Familie sehr wahrscheinlich ganz schön wütend auf sie sind? Was sie von dir gehört hat, waren die Worte keinen Druck mehr . Das Wort Trennung hat sie aus deinem Mund nicht gehört.«
Judge fängt jetzt laut an zu winseln. »Ich muà gehen.«
Sie folgt mir. »Wohin?«
»Das hab ich doch gesagt, zu einem Termin .«
Der Korridor ist mit Türen gesäumt, alle verschlossen. SchlieÃlich finde ich einen Türknauf, der sich drehen läÃt. Ich gehe hinein und verriegele die Tür hinter mir. »Gentlemen«, sage ich energisch.
Julia rüttelt am Türknauf. Sie klopft gegen die winzig kleine Rauchglasscheibe. Ich spüre, wie mir der Schweià ausbricht. »Diesmal entwischst du mir nicht«, ruft sie durch die Tür. »Ich rühre mich hier nicht von der Stelle.«
»Ich habe zu tun«, rufe ich zurück. Als Judge mich von vorn mit der Schnauze anstupst, grabe ich die Finger in das dichte Fell an seinem Hals. »Ist ja gut«, beruhige ich ihn, und dann dreh ich mich zu dem leeren Raum um.
JESSE
Hin und wieder muà ich mir selbst widersprechen und doch an Gott glauben. Zum Beispiel jetzt, als ich nach Hause komme und oben auf der Treppe zu meinem Zimmer eine Klassefrau sitzen sehe, die aufsteht und fragt, ob ich Jesse Fitzgerald kenne.
»Wer will das wissen?« sage ich.
»Ich.«
Ich setze mein Verführerlächeln auf. »Dann sind Sie bei mir richtig.«
Lassen Sie mich Ihnen nur noch eben sagen, daà sie älter ist als ich, aber mit jedem Blick spielt das immer weniger eine Rolle â sie hat Haare, in denen ich mich vergraben könnte, und so weiche und volle Lippen, daà ich kaum die Augen von ihnen losreiÃen kann, um mir den Rest von ihr anzuschauen. Ich hätte Lust, ihre Haut zu berühren, nur um zu sehen, ob sie sich so glatt anfühlt, wie sie aussieht. »Ich bin Julia Romano«, sagt sie. »Ich bin Verfahrenspflegerin.«
Alle Geigen, die in meinen Adern sangen, verstummen jäh. »Sind Sie von der Polizei?«
»Nein. Ich bin Anwältin, und ich arbeite mit einem Richter zusammen, um Ihrer Schwester zu helfen.«
»Sie meinen Kate?«
Irgend etwas in ihrem Gesicht verhärtet sich. »Ich meine Anna. Es geht um den Antrag, den sie gestellt hat.«
»Ach das. Ja, ich weià Bescheid.«
»Wirklich?« Das scheint sie zu überraschen. »Wissen Sie zufällig, wo Anna ist?«
Ich blicke zum Haus hinüber, dunkel und leer. »Bin ich der Aufpasser meiner Schwester?« sage ich. Dann grinse ich sie an. »Wenn Sie warten möchten, zeig ich Ihnen gern solange meine Briefmarkensammlung.«
Ich lehne
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