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Beim Leben meiner Schwester

Titel: Beim Leben meiner Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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mich gegen die Tür meines Zimmers und verschränke die Arme, damit sich mein Bizeps wölbt. Ich schenke ihr das Lächeln, das schon so manche Studentin an der Roger-Williams-Uni betört hat. »Haben Sie heute abend schon was vor?«
    Sie starrt mich an. »Sie wollen sich mit mir verabreden?«
    Â»Genau«, sage ich.
    Â»Dann schlagen Sie es sich mal gleich wieder aus dem Kopf«, erwidert sie entschieden. »Ich könnte Ihre Mutter sein.«
    Â»Sie haben tolle Augen.« Womit ich eigentlich ihre Titten meine, aber egal.
    Ausgerechnet in diesem Moment knöpft Julia Romano ihren Blazer zu, und ich muß laut auflachen. »Wir können uns doch auch hier unterhalten.«
    Â»Von mir aus«, sage ich und lasse sie in meine Wohnung.
    Im Vergleich zu sonst ist es einigermaßen aufgeräumt. Das schmutzige Geschirr auf der Arbeitsplatte in der Kochecke ist erst ein oder zwei Tage alt, und verschüttete Frühstücksflocken sind, wenn man nach einem anstrengenden Tag nach Hause kommt, nicht so schlimm wie verschüttete Milch. Mitten auf dem Fußboden steht ein Eimer mit einem Lappen und einem Kanister Benzin. Ich will mir Fackeln basteln. Überall verstreut liegen Klamotten, einige sind unauffällig so arrangiert, daß sie die Folgen des Lecks in meiner Schwarzbrennanlage verdecken.
    Â»Na, was sagen Sie?« Ich lächele sie an. »Eine Herausforderung für jede ambitionierte Putzfrau, was?«
    Â»Jede noch so ambitionierte Putzfrau würde das Handtuch werfen«, murmelt Julia. Sie setzt sich auf die Couch, springt wieder auf und entfernt eine Handvoll Kartoffelchips, die bereits einen Fettfleck auf ihrem süßen Hintern hinterlassen haben.
    Â»Möchten Sie was trinken?« Wenn mir meine Mutter was beigebracht hat, dann gute Manieren.
    Sie schaut sich um, schüttelt dann den Kopf. »Lieber nicht.«
    Achselzuckend nehme ich ein Bier aus dem Kühlschrank. »Wie ich höre, hat es an der Heimatfront ein kleines Scharmützel gegeben?«
    Â»Haben Sie nichts davon mitbekommen?«
    Â»Ich halte mich aus allem raus.«
    Â»Wieso?«
    Â»Weil ich das am besten kann.« Grinsend nehme ich einen schönen, langen Schluck aus der Dose. »Obwohl ich bei diesem Krach gern dabei gewesen wäre.«
    Â»Erzählen Sie mir etwas über Kate und Anna.«
    Â»Was könnte ich Ihnen da groß erzählen?« Ich lasse mich schwungvoll neben ihr auf der Couch nieder, viel zu nah. Mit Absicht.
    Â»Wie verstehen Sie sich mit ihnen?«
    Ich beuge mich vor. »Aber, Ms. Romano. Wollen Sie wissen, ob ich schön lieb bin?« Als sie nicht mal mit der Wimper zuckt, lasse ich das Theater. »Sie überleben mich«, sage ich. »Wie eigentlich jeder.«
    Die Antwort interessiert sie anscheinend, denn sie notiert sich was auf ihrem kleinen, weißen Block. »Wie war das für Sie, in dieser Familie aufzuwachsen?«
    Ein Dutzend schnoddriger Erwiderungen arbeiten sich in meiner Kehle hoch, doch das, was ich dann sage, verblüfft mich selbst. »Als ich zwölf war, da wurde Kate krank – nichts Ernstes, bloß eine Infektion, aber sie wurde sie von allein nicht los. Da sind sie mit Anna ins Krankenhaus gefahren, damit sie Granulozyten spendet – weiße Blutkörperchen. Kate konnte natürlich nichts dafür, aber es war ausgerechnet am Heiligen Abend. Wenn normalerweise die ganze Familie loszieht, um einen Baum zu besorgen.« Ich fische eine Packung Zigaretten aus meiner Hosentasche. »Darf ich?« frage ich, aber noch bevor sie antworten kann, zünde ich mir schon eine an. »Ich wurde schleunigst zu Nachbarn verfrachtet, was reichlich beknackt für mich war, denn da wurde richtig schön Weihnachten gefeiert, mit Verwandten und so, und alle haben über mich geflüstert, als wäre ich ein Sozialfall und noch dazu stocktaub. Jedenfalls, das Ganze ging mir ziemlich schnell auf den Zahn, und irgendwann hab ich dann gesagt, ich müßte mal zum Klo, und hab mich heimlich vom Acker gemacht. Ich bin nach Hause und hab mir aus dem Keller eine Axt und einen Fuchsschwanz geschnappt und die kleine Tanne gefällt, die in unserem Vorgarten stand. Bis die Nachbarn schnallten, daß ich weg war, hatte ich den Baum schon im Wohnzimmer aufgestellt und mit allem Drum und Dran geschmückt.«
    Vor meinem geistigen Auge sehe ich noch immer die Lichter – rot und blau und gelb, an einem Baum, der so

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