Beim Naechsten klappt s bestimmt - Roman
Weg und bittet uns, wieder in unsere Wohnungen zurückzugehen.
»Was ist passiert? Wer schreit da so, ist jemand verunglückt?«
»Eine Bewohnerin, Mrs. … Maggie Dupont, hat sich erhängt. Ihre Schwester hat uns benachrichtigt, weil sie seit mehreren Tagen nichts von ihr gehört hatte.«
Pilar und ich werden bleich wie Gespenster.
Mir ist schwindelig, ich muss mich setzen.
Maggies Schwester schreit immer noch herzzerreißend, ich halte mir die Ohren zu, höre es aber trotzdem.
Ich breche in Tränen aus. Das Unwohlsein ist auf einmal unerträglich geworden.
Auch Joe ist inzwischen da. Alle Nachbarn haben sich im Flur versammelt und stellen sich dieselbe Frage: »Was hätte ich tun können, um das zu verhindern?«
Ich gehe zurück in meine Wohnung und sinke aufs Sofa, mein Blutdruck spielt verrückt.
»Warum … warum?«, höre ich es unaufhörlich vom Grund eines dunklen, unstillbaren Schmerzes rufen.
Ich stehe wieder auf.
Die Leute von der Ambulanz tragen Maggies Leichnam, der mit einem Laken bedeckt und mit Lederriemen festgeschnallt ist, auf einer Bahre heraus. Auch die Schwester nehmen sie mit und stützen sie sachte wie eine zerbrechliche Puppe an den Armen.
Man sagt uns, wir sollen uns zur Verfügung halten, da eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet wird, um eventuelles Fremdverschulden auszuschließen.
Maggie wird an einem stummen Trauergeleit vorübergetragen. Der Tod zieht direkt an uns vorbei, und wir stehen zu Salzsäulen erstarrt da, machtlos und fassungslos.
Niemand bewegt sich, niemand traut sich, als Erster etwas zu sagen, denn wir fühlen uns alle irgendwie verantwortlich, eingeschlossen in unserem Egoismus, in unserer Heuchelei, in unserer jeweiligen kleinen Welt.
Joe ist tief erschüttert und weint, er erzählt, dass er ihr erst vor drei Tagen die Einkäufe hinaufgetragen habe und sie ihm wie immer vorgekommen sei. Er kann sich nicht beruhigen, ringt mit den Händen und wischt sich die Stirn mit einem Taschentuch ab.
Wir versuchen alle, ihn zu trösten und damit auch uns selbst ein wenig Trost zu spenden, aber wir stehen noch völlig unter Schock.
Als ein Polizist uns die üblichen Routinefragen stellt, merken wir, dass wir nicht in der Lage sind zu antworten, weder ich, die erst seit kurzem hier wohnt, noch die anderen, die schon seit Jahren da sind.
Mit wem hatte sie Kontakt? Womit war sie beschäftigt, hatte sie Freunde? Einen Partner? Jemanden, der ihr nahestand?
Die Antworten schwanken zwischen einem verlegenen »Ich weiß es nicht« und einem lakonischen »Nein«. Es liegt auf der Hand, dass sie sich nicht umgebracht hätte, wenn sie noch andere Ansprechpartner außer ihren Hunden gehabt hätte.
Bürokratie und Psychologie sind schlechterdings nicht zu vereinbaren.
Später, nachdem die Polizei die Wohnung versiegelt, die Hunde fortgebracht und alle anderen amtlichen Prozeduren erledigt hat, gehen wir betreten und mit gesenkten Köpfen davon. Wobei wir es vermeiden, zu der Unglückstür hinüberzublicken.
»Pilar, kannst du bitte heute Nacht bei mir bleiben? Ich will nicht allein sein.«
»Sí, claro, auch wenn es schon fast Tag ist.«
Wir gehen in meine Wohnung, wo Pilar Kaffeewasser aufsetzt. Mir macht sie einen Kräutertee.
Der Gedanke, dass der Tod nur ein paar Türen weiter jemanden heimgesucht hat, ist unheimlich.
Als wäre der düstere Schnitter mit seiner Kapuze hinter Maggies Bahre einhergegangen und hätte sich unter uns Lebende gemischt.
Es ist auf einmal kalt geworden, was wohl an der Aufregung liegt, doch Pilar spürt es auch.
Wir legen eine Decke um uns und kuscheln uns mit unseren Tassen aufs Sofa.
»Sie hat noch nicht einmal einen Abschiedsbrief hinterlassen, nichts. Was glaubst du, warum?«
»Weil sie nichts zu sagen hatte?«
»Aber sich einfach so davonzumachen … Meinst du nicht, dass das für die Hinterbliebenen wegen der Schuldgefühle eine schwere Last ist?«
»Was denn für eine Schuld? La Vida ist so kurz, und wir haben nur eines, und niemand hat das Recht, es wegzuwerfen. Das ist so plump, ein Abgang mit Knalleffekt, und man überlässt es den anderen, sich den Kopf über die Hintergründe zu zerbrechen. Jeder hat mindestens einmal im Leben einen guten Grund, sich umzubringen. Guck dich an, du bist schwanger, allein, ohne Job und bringst dich trotzdem nicht um … stimmt’s?«
»Ich habe nie ernsthaft daran gedacht, und wenn ich sage, dass ich sterben möchte, lasse ich nur Dampf ab.«
»Weil du weißt, dass das Leben sich
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