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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kontrollierte, ob |124| ich allein war, dann trat sie zurück und ließ mich herein.

    Es war eine ziemlich geräumige Wohnung. Ein großes Zimmer vorne, zwei Schlafzimmer, ein Flur, eine Küche, ein Bad. An allen Türen gab es Schlösser und die Fenster waren von schweren schwarzen Vorhängen verdeckt. Das einzige Licht im vorderen Zimmer kam von dem flackernden Schein zahlloser Computermonitore und Fernsehbildschirme. Auf einem Breitbildfernseher in der Ecke lief CNN. Video-Überwachungsbilder flackerten auf tragbaren Schwarzweißempfängern: Bilder vom Korridor draußen, vom Hauseingang, von der Siedlung. Das Zimmer stand voller Ausrüstung – Laptops, PCs, Drucker, Scanner, Telefone, Kopierer, Kameras, Arbeitstische, Werkzeuge, Stapel Papier. Die Luft summte von der elektrischen Spannung.
    »Du bist nass«, sagte Eddi zu mir.
    »Es regnet.«
    Sie nickte und lächelte mich an. Ihr Lächeln wirkte nicht echt – zu falsch, zu freundlich. Ich konnte es nicht einordnen.
    »Setz dich«, sagte sie und deutete auf ein Ledersofa. »Willst du was trinken oder so?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich brauch nichts, danke.«
    Ich stellte den Rucksack auf den Boden und setzte mich. Eddi blieb stehen. Ich wusste nicht, wie alt sie war, ich schätzte sie auf neunzehn oder zwanzig. Sie war schlank und klein, stark, wohlproportioniert. Sie lief barfuß, die Fußnägel schwarz lackiert. Sie hatte sehr blaue Augen. Sie lächelte mich immer noch an …
    Und das störte mich. Sie hätte mich nicht anlächeln dürfen. Sie hätte wachsam sein und sich fragen müssen, was ich wollte, fragen müssen, was ich hier machte.
    |125| »Ist eine Schande mit John«, sagte sie.
    Ich zuckte die Schultern.
    Sie zündete sich eine Zigarette an. »Du weißt, dass Curt auch tot ist?«
    »Wer?«
    »Curtis, Johns Bruder. Mein Ex.«
    »Echt?«
    Sie nickte. »Ist nie mehr aus dem Gefängnis rausgekommen. Wurde da drinnen abgeknallt.« Sie zog an ihrer Zigarette und lächelte wieder. »Also«, sagte sie und blies den Rauch aus, »was kann ich für dich tun, Robert? Wie kann ich dir helfen?«

    Was immer ich sein mochte – ich hatte mein Leben nach bestimmten Regeln geführt.
    Glaub nie an etwas.
    Gib nie klein bei.
    Gewöhn dich nie an etwas.
    Trau nie jemandem, der dir Hilfe anbietet.
    Im Lauf der Jahre hatte ich die letzte Regel ausgeweitet zu
Trau überhaupt niemandem
, aber der Grundgedanke war derselbe: Wohltätigkeit stinkt.
    Selbstlose Wohltätigkeit gibt es nicht. Jeder will was. Keiner tut was einfach nur so. Es gibt immer einen Haken.
    Das klingt ziemlich schäbig, ich weiß. Aber so ist es nun mal.
    Deshalb wusste ich, als Eddi mir mit freundlichem Lächeln und treuherzigem Augenaufschlag Hilfe anbot, dass etwas nicht stimmte. Ich spürte es, ich konnte es fühlen. Ich sah es in ihren blauen Augen. Sie wusste etwas. Sie behandelte mich wie einen Freund, doch ich war kein Freund. Ich war bloß ein Junge, der ein |126| Mal abends mit dem Bruder ihres Exfreunds in ihrer Wohnung aufgekreuzt war. Das war über ein Jahr her, ich war bloß eine Stunde da gewesen, hatte kaum etwas gesagt. Sie hätte mich gar nicht wiedererkennen dürfen. Aber da stand sie und behandelte mich wie einen lange verschollenen Freund. Das war mir nicht geheuer.
    »Kann ich mal bitte dein Bad benutzen?«, fragte ich sie.
    »Natürlich«, sagte sie. »Einfach den Flur lang auf der rechten Seite.«
    Ich spürte, wie sie mich beobachtete, als ich aufstand und durchs Zimmer lief. Ich versuchte, ruhig zu bleiben, mich so normal zu benehmen, wie es nur ging. Aber ich versuchte auch, mich in der Wohnung umzuschauen, ohne sie merken zu lassen, dass ich mich umschaute. Ich wusste nicht, was ich suchte – irgendwas, das nicht passte, irgendwas, das mir vielleicht einen Hinweis gab.
    Wie auch immer, ich fand nichts.
    Ich ging den Flur lang und dann ins Bad. Ich pinkelte. Ließ die Klospülung rauschen. Wusch mir die Hände. Dann schaute ich in den Spiegel. Und als mein Gesicht aus dem Spiegel zurückschaute – versifft und klamm –, kapierte ich plötzlich, ich
hatte
im vorderen Zimmer etwas gesehen. Ich wusste es. Ich hatte etwas gesehen. Ich wusste zwar immer noch nicht, was, doch ich wusste, ich hatte etwas gesehen.
    Ich schloss die Augen und stellte mir vor, wie ich den Raum verließ. Was hatte ich gesehen? Sofa, Teppich, Computer, Tisch …
    Tisch.
    Das war es. Es stand ein Tisch an der Tür. Jetzt sah ich ihn. Ein kleiner hölzerner Tisch, ein Telefontischchen oder so was. Und

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