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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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abgesehen, selbst wenn ich Lust gehabt hätte, Freundschaften zu schließen, hätte das nichts geändert, denn die meisten Leute mochten mich ohnehin nicht besonders. Ich glaube nicht, dass sie mich
ablehnten
. Ich meine, sie hassten mich nicht oder so. Ich glaube, sie fanden mich bloß irgendwie beunruhigend …
    Ich habe mal etwas gelesen, was eine der Sozialarbeiterinnen über mich geschrieben hat. Wir waren in ihrem Büro und besprachen meinen Monatsbericht, und als sie aufstand und kurz aus dem Zimmer ging, beugte ich mich über ihren Schreibtisch und warf einen heimlichen Blick in meinen Ordner.
Robert ist schon immer ein Einzelgänger gewesen
, hatte sie geschrieben.
Trotz seiner häufigen Schulwechsel besitzt er eine scharfe – gelegentlich etwas eigenwillige
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– Intelligenz und häufig beweist er eine Reife, die über sein Alter hinausgeht. Sozial dagegen zeigt er wenig Interesse an seiner Umgebung und kann manchmal erschreckend reserviert und irgendwie kalt sein. Frühere Pflegefamilien haben dies als unangenehm empfunden, und wenn Roberts Probleme nicht aktiv angegangen werden, sind seine Aussichten auf eine Langzeitunterbringung gering.
    Vielleicht ist es ja das, was die Leute an mir beunruhigend fanden. Ich war
erschreckend reserviert und irgendwie kalt
. Vielleicht haben sie auch irgendetwas Unmenschliches an mir gespürt. Oder sie mochten mich einfach nicht so.
    Wahrscheinlich werde ich es nie erfahren.
    Ist auch nicht wichtig.
    Das Einzige von Bedeutung – und mehr will ich gar nicht sagen – ist: Nur weil ich keine Freunde hatte, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht viele Leute kannte. Denn ich kannte viele. Ich war in Dutzenden von Schulen und Dutzenden von Heimen gewesen und über die Jahre war ich Hunderten von Menschen begegnet.
    Und einer davon war ein Junge gewesen, der John Blake hieß.
    Und es war Blake, der mich zu Eddi Ray mitgenommen hatte.
    Und zu ihr wollte ich jetzt.

    Ich hatte John Blake ein paar Jahre zuvor kennengelernt, als ich in einem Heim am Stadtrand von Chelmsford lebte. Er war ein paar Jahre älter als ich, ein richtiger schwerer Junge. Einer von denen, die nur üble Sachen im Kopf haben – Raub, Gewalt, Drogen. Es war ihm egal, was er tat, und ihm war auch egal, was für Folgen es für ihn hatte. Er tat es einfach. Keiner der andern Jungs mochte ihn besonders, ich mochte ihn auch nicht, aber aus irgendeinem |118| seltsamen Grund hing er eine Weile an mir. Keine Ahnung, wieso, aber er versuchte ständig, mich zu überreden, irgendwo hinzugehen und mit ihm was zu unternehmen.
Komm schon, Rob, lass uns was trinken gehen. Lass uns Spaß haben. Komm schon, ich weiß, wo wir Stoff kriegen …
    So in der Art.
    Meistens lehnte ich ab –
Nein danke, John. Mir geht’s okay. Ja, wir sehen uns dann später –
, doch als er mich eines Tages fragte, ob ich mit ihm nach London wollte, überraschte ich uns beide mit meinem Ja.
    Ich weiß bis heute nicht, warum. Vielleicht fand ich alles einfach langweilig. Langweilig, jedes Mal mit Nein zu antworten. Langweilig, nie irgendwo hinzugehen. Langweilig, gelangweilt zu sein. Vielleicht war es auch mehr als das. Vielleicht hatte es ja mit dem zu tun, was jetzt passierte …
    Ist das möglich?
    Könnte ich damals etwas gewusst haben, ohne mir drüber im Klaren zu sein? Könnte ich gewusst haben, dass John Blake mir etwas zeigen würde, was sich vielleicht in der Zukunft als nützlich erwies?
    Ich weiß nicht.
    Wahrscheinlich nicht.
    Aber er
führte
mich hin und es erwies sich als nützlich.
    Letztendlich.
    Er verbrachte den größten Teil des Tages in London damit, sich zuzudröhnen – er trank mit befreundeten anderen schweren Jungs, warf in irgendwelchen Betonsilos und besetzten Häusern Pillen ein und klaute in Läden auf der Oxford Street. Er wollte, dass ich mitmachte –
komm schon, Rob, trink was, rauch was, gönn
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dir ein bisschen Spaß
–, doch ich fühlte mich gut so, wie ich war. Mir reichte es, bloß rumzuhängen und zu beobachten. Einfach nur da zu sein. Es war zwar nicht besonders lustig und ich wünschte mir, ich wäre nicht mitgekommen, aber es störte mich auch nicht richtig. Was mich betraf, war das Ganze einfach eine andere Zeit und ein anderer Ort.
    Es war irgendwann spät am Nachmittag, als John plötzlich beschloss, Eddi Ray zu besuchen.
    »Hey, Rob«, meinte er, »ich sag dir was … lass uns Eddi besuchen. Wird dir gefallen, Mann. Die is cool.« So redete er, wie zugedröhnt. Was er ja auch

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