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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Problem.«
    Ich dankte ihm für das Angebot und erklärte, ich würde es mir |310| überlegen … und das war’s. Ende der Unterhaltung. Das war schon alles gewesen, worüber er mit mir reden wollte – ob ich mal für seinen Bruder arbeiten wolle. Als er Gute Nacht sagte und über den Platz davonging, merkte ich, dass ich schwitzte. Meine Handflächen waren feucht, mein Rücken war klamm und kalt vor Schweiß und ich fing an zu zittern in der kühlen Nachtluft.
    Am anderen Ende des Platzes stieg León in sein Polizeiauto. Er startete den Motor, schaute noch einmal zu mir herüber und winkte, dann fuhr er davon, die San Miguel hoch.
    »Bis dann, León«, murmelte ich vor mich hin. »Nett von dir, dass du mich zu Tode erschreckt hast.«

|311| Dreiundzwanzig
    E ddi kam in dieser Nacht nicht zurück. Sie kam auch nicht am nächsten Tag, und am Samstagnachmittag, Heiligabend, machte ich mir langsam wirklich Sorgen. Ich hatte bei den Garcías unten gefragt, ob Eddi eine Nachricht hinterlassen habe, doch sie hatten nichts von ihr gehört und ich hatte keine Ahnung, was ich noch tun sollte. Sie konnte überall stecken – in einer Gefängniszelle, in einem Krankenhaus. Sie konnte mit ihrem Motorrad im Gebirge verunglückt sein. Sie konnte irgendwo tot in den Bergen liegen. Sie konnte verhaftet worden sein. Sie konnte in irgendwelche Schwierigkeiten mit den Drogendealern geraten sein …
    Oder noch schlimmer …
    Vielleicht gab es gar keine Drogendealer. Hatte nie welche gegeben. Das Ganze war nichts als eine riesige Lüge. Sie war einfach weg, hatte mich verlassen, war irgendwo anders hingefahren. In eine andere Stadt, in ein anderes Land. Vielleicht hatte sie noch woanders eine Wohnung. Vielleicht war sie zurück nach England gegangen. Vielleicht hatte sie mit Ryan einen Deal gemacht und erzählte ihm gerade alles über mich.
    Ich hatte immer noch keine Antworten.
    Ich konnte nur warten.
    |312| Also setzte ich mich ans Fenster und wartete.

    Die Zeit verging zäh – Stunden, Minuten, Sekunden … alle Zeit der Welt – und in meinem Kopf schwirrten tausend Dinge herum und stießen bisweilen zusammen. Die Stille der Wohnung, die Leere, das strahlend blaue Meer in der Ferne, Eddis Augen, Juwelen der See … ihre Lügen, meine Lügen … ihre Abwesenheit.
    Sehnsüchte. Wünsche.
    Erinnerungen …
    Ich erinnerte mich an ein Geburtstagsfest … oder war es eine Weihnachtsfeier? Ich glaubte mich an einen dicken Mann in einem billigen roten Anzug zu erinnern. Wie alt war ich? Ich hatte keine Ahnung. Älter als fünf, jünger als zehn. Ein Kind. Es gab einen langen Tisch und Bänke. Wackelpeter, Musik, Papierteller, Plastikbesteck, Schüsseln mit Bonbons. Orangensaft in Bechern, bunte Ballons …
    Nein, es war nicht Weihnachten. Der dicke Mann in dem billigen roten Anzug war einfach ein dicker Mann in einem billigen roten Anzug. Es war nicht Weihnachten. Der Raum war kalt. Die Wände klogrün gestrichen. Es gab hohe Fenster, die man rauf- und runterziehen konnte, mit Riegeln, die einrasteten, und in der Ecke lehnten Stangen mit langen Haken. Die Stangen machten mir Angst. Es waren Geräusche zu hören. Ich erinnerte mich an Geräusche: Küchenlaute, das Geplapper von Kindern, die aßen und tranken, aufgeregte Stimmen, Lachen. Aber am allermeisten erinnerte ich mich daran, wie ich mich auf eine Tür am Ende des Raums konzentrierte. Wie ich darauf wartete, dass sie sich öffnen würde.
    Bitte geh auf.
    |313|
Bitte komm rein.
    Ich weiß nicht, wen ich erwartete. Ich hatte niemanden.

    Es war irgendwann am frühen Abend, als ich schließlich Eddis Motorrad in der Ferne knattern hörte. Ich hielt den Atem an und horchte genau. Das Geräusch wurde lauter, kam näher. Mit pochendem Herzen öffnete ich das Fenster und beugte mich hinaus in der verzweifelten Hoffnung, mich nicht zu irren … und ich irrte mich wirklich nicht. Es war Eddi. Sie war schon oben um die Kurve herum, jetzt fuhr sie auf das Haus zu – das Motorrad tuckerte und keuchte und zog eine Fahne grauen Auspuffqualms hinter sich her. Eddi schaute hoch, als sie am Straßenrand anhielt, und ich lächelte und winkte ihr zu. Sie winkte zurück, aber in ihrem Gesicht war kein Lächeln. Sie wirkte müde. Erschöpft und zerzaust. Sie sah nicht glücklich aus.
    Doch das war mir egal.
    Sie war wieder da. Sie war zurückgekommen. Das allein zählte.
    Ich rannte nach unten, um sie zu begrüßen.

    Sie sagte kaum ein Wort, bis wir zurück in der Wohnung waren, und selbst dann

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