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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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meinem Hirn.
    Ich wollte nicht dort sein. Ich wollte nicht dort
hin
. Wenn ich |304| anfing, darüber nachzudenken, was in mir war, würde ich nur überlegen, mich wieder aufzuschneiden, und das wollte ich nicht noch mal tun.
    Ich rieb mir die Augen, legte die Pistole zurück in die Schublade und fing an, das Zimmer zu durchsuchen.

    Es gefiel mir nicht, was ich tat – in Eddis Sachen herumstöbern –, doch ich wusste, ich musste es tun. Wenn ich es nicht tat, würden meine Ängste und Zweifel über sie immer größer werden und mich auffressen wie ein Krebsgeschwür. Warum war sie noch bei mir? Was bedeutete ich ihr? War sie wirklich nach Granada gefahren?
    Ich musste es wissen.
    Ich musste versuchen, Antworten zu finden.
    Ich musste einfach …
    Fast hätte ich noch meine Meinung geändert. Als ich mich neben ihrem Schminktisch niederkniete und anfing, in ihren Schubladen herumzuwühlen, kam die Schäbigkeit dessen, was ich tat, in mir hoch und durchfuhr mich mit einem hässlichen Schauer der Schuld. Es war ein kaltes, Übelkeit erregendes Gefühl und es hätte fast gereicht, mich zu bremsen.
    Fast, doch nicht ganz.
    Ich schloss die Augen, schüttelte den Schauer ab und suchte weiter.

    Ich fand nichts in Eddis Schlafzimmer. Keine Geheimnisse, keine Rätsel, nichts Schockierendes, keine Antworten. Ich fand auch sonst nirgendwo etwas. Nicht im Bad, nicht in der Küche und nicht im Wohnzimmer … in keiner der Schubladen, keinem der |305| Schränke, keinem der Fächer. Ich schaute überall nach. Nichts. Das Einzige, wo ich nicht nachschaute, war auf dem Laptop. Probiert hatte ich es natürlich schon. Doch als ich ihn öffnete und anschaltete, fragte er mich sofort nach dem Passwort. Ich überlegte, ob ich raten sollte, doch ich wusste, es war sinnlos. Eddi war nicht so dumm, ein Passwort zu verwenden, das ich erraten konnte. Und ich war ziemlich sicher, sobald ich anfing, lauter falsche Passwörter einzugeben, würde ihr der Computer beim nächsten Einloggen einen Hinweis geben. Dann hätte ich viel zu erklären …
    Also ließ ich es lieber.

    Jetzt, nachdem ich getan hatte, was ich tun musste, aber trotzdem noch keine Antworten gefunden hatte, wusste ich nicht so recht, wie ich mich fühlen sollte. Sollte ich mich gut fühlen, weil ich nichts Schlechtes gefunden hatte, oder sollte ich mich schlecht fühlen, weil ich nichts Gutes gefunden hatte?
    Oder sollte ich mich schämen?
    Oder Angst haben?
    Oder mich dumm fühlen?
    Oder einsam?
    Während ich am Fenster saß und zusah, wie sich die Nacht herabsenkte, versuchte ich, gar nichts zu empfinden.

    Gegen sieben Uhr ging ich los, um etwas zu essen. Mir war nicht danach, allein ins El Corazón zu gehen, also überlegte ich mir, nur etwas im Laden zu kaufen und mit in die Wohnung zu nehmen – Brot und Käse, Speck, Schinken, irgendwas in der Art. Der Laden lag in der San Miguel nahe bei der Kirche. Es war ein dunkles, kleines Geschäft, kühl und schattig, und es gab dort so |306| ungefähr alles, was man sich wünschen konnte – zu essen, zu trinken, Zigaretten, Briefmarken, Postkarten, Strandbälle, Zeitungen, Spielwaren. Es gehörte der Familie Valdez, und als ich eintrat, saß Señor Valdez persönlich an der Kasse und schrieb gerade etwas auf die Rückseite eines Umschlags.
    »Buenas tardes, John«
, sagte er im Aufschauen.
»¿Qué tal?«
    »Bien, gracias «
, antwortete ich ihm.
    »Bueno.«
Er lächelte.
»¿Qué deseas?«
    Ich fragte ihn in unbeholfenem Spanisch nach etwas Brot, Schinken und Käse (
pan, jamón y queso
). Er trippelte durch den Laden, holte, was ich wollte, und packte es in eine Papiertüte, dann zahlte ich und ging.
    Es war ein schöner, klarer Abend, der Himmel voller leuchtender Sterne, und es gefiel mir, unterwegs zu sein. Also entschloss ich mich, den längeren Weg zurück zu nehmen – die San Miguel hinunter, über den Kirchplatz, dann hoch durch die Seitenstraßen ans andere Ende der San Miguel.
    Ich war jetzt fast einen Monat in Tejeda und die Einheimischen hatten sich daran gewöhnt, dass ich da war. Die meisten kannten meinen Namen – John Martin –, aber sie schienen nicht sonderlich interessiert, mehr über mich zu erfahren. Niemand hatte mich je gefragt, was ich hier machte, wer ich tatsächlich war oder wo ich herkam. Wahrscheinlich dachten sie, dass ich mit Eddi zusammen war, oder mit Maria, wie sie hier hieß. Und das war okay für mich.
    Während ich an dem Abend so dahinschlenderte und auf einer Brotkruste herumkaute,

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