Being
Hand. »Es ist alles gut … jetzt kann dir nichts mehr passieren.«
»Ich hatte solche
Angst
«, flüsterte sie. »Ich konnte nichts tun. Als sie weg waren, hab ich bloß dagestanden und geschnieft wie ein kleines Kind … Gott, ich hab mich so
erbärmlich
gefühlt.«
Ich drückte ihre Hand.
Sie sah mich an und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen. »Ich wollte nach Hause … aber es war dunkel … ich hätte nachts durchs Gebirge fahren müssen.« Ihre Lippen fingen an zu zittern und sie senkte den Blick. »Ich hatte solche
Angst
, Robert … Ich wollte nur noch nach Hause …«
»Ist ja gut«, sagte ich beruhigend. »Es ist alles vorbei. Du bist in Sicherheit.«
»Nein, nichts ist gut«, schluchzte sie. »Ich war bescheuert. Die ganze Aktion war bescheuert. Ich hätte da gar nicht erst hinfahren dürfen. Es war eine komplett blöde Idee. Jetzt haben wir überhaupt |317| kein Geld mehr.«
»Das macht nichts.«
»Doch.«
»Nein.«
Sie sah mich unwillig an. »Natürlich macht das was.«
Ich lächelte sie an. »Nein …«
»Doch«, sagte sie und lächelte jetzt hinter den Tränen.
Da spürte ich etwas in mir, etwas, das ich noch nie gespürt hatte. Ein Gefühl, als wäre die Welt plötzlich geschrumpft und alles – der Himmel, die Berge, die Sterne, das Meer –, alles wäre genau hier, hier und jetzt. In mir, in diesem Zimmer, in diesem stillen weißen Kubus. Das war die Welt und mehr gab es nicht.
Nur mich und Eddi.
Zusammen auf dem Sofa.
An einem von Sternen erhellten Weihnachtsabend.
»Ich hab dich sehr vermisst«, sagte ich zu ihr.
Sie lächelte. »Ich hab dich auch vermisst.«
Später, als wir zusammen in ihrem Bett lagen, nackt im Mondlicht, konnte ich nicht anders, als nachzudenken über das, was wir da gerade getan hatten. Ich wollte nicht darüber nachdenken. Ich wollte über gar nichts nachdenken. Ich wollte nur daliegen und vor mich hin lächeln. Aber ich konnte nicht. Ich konnte nicht aufhören, über mich nachzudenken – über mein Ich, meinen Körper, meine Haut, mein Fleisch. Wie ich funktionierte. Die physischen Dinge. Den glänzenden Schweiß auf meiner Haut. Die Aufgeregtheit, die Erregung, die Liebe, den Sex. Meine Gefühle. Meine Handlungen. Meine Körperflüssigkeiten …
Den Sex.
|318| Wie war das passiert?
Wie hatte das funktioniert?
Was war in mir geschehen … in Eddi? Was hatten wir ausgetauscht? Machten wir irgendetwas gemeinsam? War das möglich?
War es
richtig
?
Ich hatte keine Chance, das zu wissen.
Und ich glaube, es war in diesem Moment, dass ich merkte, es war mir nicht mehr wichtig. Was ich auch sein mochte, was immer in mir steckte, ich konnte nichts dagegen tun. Ich wusste, es war da, und ich wusste, ich würde nie in der Lage sein, das zu vergessen, aber was sollte ich machen? Ich konnte nichts ändern. Wozu sollte ich mich also damit abmühen?
Ich funktionierte wie ein Mensch.
Ich sah aus wie ein Mensch.
Ich dachte und fühlte wie ein Mensch.
Spielte es da eine Rolle, dass ich
kein
Mensch war?
Nein.
Spielte es irgendeine Rolle, was in mir drin war? Solange es funktionierte und solange es mich nicht daran hinderte, ich selbst zu sein – wen kümmerte da, was ich war?
Ich schaute auf Eddi hinunter. Sie lag mollig in ihre Decke eingekuschelt und hielt die schläfrigen Augen auf mich fixiert. Durch das offene Fenster hörte ich Kirchengeläut. Eddi lächelte mich an und legte mir ihren Arm quer über die Brust.
»Frohe Weihnachten, Robert«, flüsterte sie.
Ich nickte und lächelte zurück.
Ich war entweder zu glücklich oder zu traurig, um etwas zu sagen.
|319| Vierundzwanzig
I n mancher Hinsicht änderte sich nichts nach unserer ersten gemeinsamen Nacht. Wir taten weiter dieselben Dinge, gingen zu denselben Orten, lebten dasselbe Leben wie vorher. Unsere tägliche Routine änderte sich nicht. Unsere Nächte waren natürlich anders. Unsere Nächte waren ganz und gar anders. Nach dem ersten Mal gab es keine Peinlichkeit oder Verlegenheit mehr, alles schien völlig natürlich. Wir mussten nicht darüber reden. Wir wussten einfach nur, dass wir von nun an miteinander schlafen würden, und das taten wir. Es war wundervoll – wie jeden Tag ein neues Weihnachten. Es war sagenhaft, eigenartig, aufregend, unbekannt … manchmal ein bisschen erschreckend und immer noch sehr verwirrend. Aber hauptsächlich einfach wundervoll.
Noch etwas hatte sich verändert – und das war eigentlich das Wichtigste: die Nähe zwischen mir und Eddi. Sie zu
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