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Being

Titel: Being Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zurückkommen würde.
    »Wohin fährst du?«, fragte ich leise.
    »Nach Granada. Das liegt ungefähr fünfundsechzig Kilometer nördlich von hier.«
    Ich nickte. »Nimmst du das Motorrad?«
    |301| »Ja. Dürfte eigentlich nicht lange dauern. Ich muss nur die richtigen Leute finden und dann den Deal machen. Mit ein bisschen Glück bin ich vielleicht sogar schon heute Abend zurück. Wenn nicht, wird es wahrscheinlich morgen um die gleiche Zeit.«
    »Was soll ich machen, wenn du bis morgen Abend nicht zurück bist?«
    »Nichts. Wenn es so aussieht, als ob es länger dauert als ein paar Tage, schick ich eine Nachricht an die Garcías.« Sie lächelte mich an. »Vor Weihnachten bin ich auf jeden Fall zurück, versprochen – okay?«
    Ich zuckte die Schultern.
    »Noch eins«, sagte sie. »Wenn irgendwas passiert, während ich weg bin … ich meine, wenn irgendwer kommt und hier rumschnüffelt oder so – in der unteren Schublade von meinem Nachttisch liegt eine Pistole.«
    »Was?«
    »Eine Pistole. Sie ist voll geladen, aber gesichert. Du musst nur den Sicherungsflügel auf
Off
drehen, dann ist sie scharf.«
    Ich starrte sie an. »Du hast eine
Pistole
im Nachttisch?«
    »Ich hab sie mir besorgt, als ich zum ersten Mal hierherkam«, erklärte sie. »Ich war allein. Ich dachte, das wär keine schlechte Idee …«
    »Du hättest es mir aber sagen können.«
    »Wieso?«
    »Weil …«
    »Weil was?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Du hättest es mir einfach erzählen sollen, das ist alles.«
    »Ja, gut, ich erzähl’s dir ja jetzt. Sie ist da, wenn du sie brauchst.«
    |302| »Vielen Dank«, sagte ich sarkastisch.
    Einen Moment stand Eddi da und sah mich an, als wäre ich ein verzogenes Kind, dann nahm sie ihre Jacke vom Sofa und machte sich auf. Ich sah, wie sie ging, und fühlte mich plötzlich dumm. Ich war dumm, sie war dumm. Das Ganze war dumm.
    »Eddi?«, rief ich.
    Sie blieb an der Tür stehen und drehte sich um.
    Ich lächelte sie an. »Sei vorsichtig.«
    Sie lächelte zurück. »Du auch.«
    »Hasta luego.«
    »Ja«, sagte sie. »Bis später, Robert.«
    Sie öffnete die Tür und ging hinaus.

    Es war wirklich eigenartig, wieder allein zu sein. Ich war schon lange nicht mehr allein gewesen und hatte irgendwie vergessen, wie das war. Ich konnte mich nicht dran erinnern. Außerdem war jetzt alles anders. Ich war anders. Also war es auch anders, allein zu sein. Und als ich durch die leere Wohnung in Eddis Schlafzimmer ging, dämmerte mir plötzlich: Was immer ich jetzt war und was immer das hieß, ich würde nie wieder wissen, wie es war,
nicht
so zu sein. Was immer ich jetzt war, ich war es eben.

    Die Pistole lag genau an dem Ort, den Eddi genannt hatte – in der unteren Schublade ihres Nachttischs. Es war eine Automatikwaffe, genau wie Ryans, nur hatte diese einen etwas längeren Lauf und einen Elfenbeingriff. Ich fummelte ein bisschen an einem kleinen Haken herum und das Magazin glitt heraus. Sechzehn Kugeln. Ich setzte das Magazin wieder ein –
schnick
– und starrte auf die Waffe in meiner Hand.
    |303| Warum hatte sie mir nicht erzählt, dass sie eine besaß?
    Und wieso jetzt auf einmal?
    Wieso?
    Ich setzte mich auf ihr Bett, sah mich im Zimmer um und fragte mich, was sie wohl sonst noch vor mir verbarg. Ich war bisher nur selten in Eddis Zimmer gewesen und nie lange geblieben, deshalb war es ein ziemlich merkwürdiges Gefühl, dort allein zu sitzen und einfach so ihre Sachen anzuschauen. Das hier war ihr Zimmer, ihr privater Raum. Es war nicht vorgesehen, dass irgendwer anderes ihn sah.
    Im Zimmer herrschte Chaos. Überall lagen Haufen von Kleidern auf dem Boden, das Bett war nicht gemacht. Es gab leere Weinflaschen und Zigarettenschachteln, überquellende Aschenbecher, einen Tisch voller Make-up-Sachen. Die Luft roch nach kaltem Rauch und Albträumen.
    Ich öffnete die oberste Schublade des Nachttischs. Darin lagen ein Tütchen Gras, eine Packung Zigarettenpapier und eine Bibel. Ich nahm die Bibel heraus, blätterte in den Seiten, dann legte ich sie zurück in die Schublade.
    »Paradise«, murmelte ich.
    Und für einen Übelkeit erregenden Augenblick dachte ich, ich wäre noch im Hotel Paradise – die Hotelhalle, die Pistole, die Bibel, das Endoskopie-Band im Videorekorder … ich war noch da. Ich hatte es nie verlassen. Ich war noch betrunken, blutete noch, saß noch auf dem Bett und starrte noch immer auf diese unglaubliche Aufnahme auf dem Bildschirm …
    »Scheiße«, sagte ich und schüttelte die Gedanken aus

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