Being
Alvarez erzählte mir alles darüber. Er war Mitglied bei La Cofradía, der Bruderschaft, die die Prozession organisierte. Sein Bruder León war auch Mitglied … genauso wie sein Vater, sein Großvater und die meisten seiner Onkel und Vettern. Doch in diesem Jahr war Jorge einer der
costaleros
, der Männer, die das Bildnis der Jungfrau durch die Straßen trugen, und er war ziemlich aufgeregt deswegen.
Am Freitag ging ich nicht arbeiten und ich hatte vor, frühestens Mittwoch oder Donnerstag der folgenden Woche wieder anzufangen. Eddi dagegen musste das ganze Wochenende ran. Sie wollte nicht, doch das Fest war ein großes Ereignis und die Menschen strömten kilometerweit her, also war in den Restaurants und Bars jede Menge los.
»Ich komm da nicht raus, Robert«, erklärte sie mir am Freitagnachmittag. |327| »Sie wollen alle Kellnerinnen über das ganze Wochenende im Einsatz haben.«
»Jeden Abend?«
»Ja … wahrscheinlich kriege ich ein paarmal nachmittags frei und eventuell kann ich auch am Montag ein bisschen was von der Prozession sehen.«
»Kannst du nicht sagen, du bist krank oder so?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist die umsatzstärkste Zeit des Jahres … das Geld, das sie in dieser Woche verdienen, reicht, um den Winter zu überstehen. Sie brauchen jeden, den sie kriegen können. Es wäre unfair, wenn ich nicht mithelfen würde.«
»Stimmt wohl.«
»Du kannst ja trotzdem überall hingehen … wird dir Spaß machen.« Sie lächelte mich an. »Heute Abend ist die
Reina de la Feria
. Du kannst zuschauen, wie die Festkönigin gewählt wird.«
»Ja?«
»Außerdem ist heute, glaub ich, Feuerwerk.«
»Schöne Mädchen und Feuerwerk, ja?« Ich nickte nachdenklich. »Ich glaube, ich werde mich zwingen können, bei diesem Spaß dabei zu sein.« Ich warf ihr ein trauriges Lächeln zu. »Natürlich ist es ohne dich nicht dasselbe.«
»Da hast du recht«, sagte sie grinsend.
Also verbrachte ich den größten Teil des Abends allein, spazierte durchs Dorf und freute mich an den Festlichkeiten. Es wäre schöner gewesen, wenn Eddi dabei gewesen wäre, doch ich hatte auch so meinen Spaß. Die Straßen waren voller Menschen, es war ein warmer Abend und das ganze Dorf voller Farben und Klänge. Überall spielte Musik – Gitarren, Trompeten, Gesang und Tanz – |328| und viele Einheimische hatten sich für den Abend schick gemacht. Es gab gut aussehende Frauen in leuchtend bunten Kleidern, Männer in weißen Hemden und Halstüchern, Tänzer in paillettenbesetzten Umhängen, Musiker in Hüten mit breiter Krempe. Alte Leute standen in den Hauseingängen zusammen und beobachteten die fotografierenden Touristen, andere sahen aus den oberen Fenstern zu. Junge Leute vergnügten sich mit leuchtenden Augen in der Hitze der Nacht – Jungen und Mädchen, Frauen und Männer. Kerzen brannten, die Getränke flossen in Strömen, die Restaurants und Bars waren voll … und ich strolchte für mich allein durch die Straßen und sog das Ganze in mich auf. Ich schaute, wie die Festbeleuchtung in den Straßen angeschaltet wurde. Ich verfolgte die Krönung der Festkönigin. Ich sah mir das Feuerwerk an. Ich hörte der Musik des Alalba-Orchesters zu. Und dann, als es Mitternacht wurde, machte ich mich zum El Corazón auf, suchte mir einen Tisch am hinteren Ende und wartete darauf, dass Eddi mit ihrer Arbeit fertig wurde.
Es war nach zwei, als wir zu Hause ankamen, und Eddi war so müde, dass sie nicht mal mehr etwas trinken wollte. Sie zog sich bloß aus, ließ sich ins Bett fallen und war innerhalb von Sekunden eingeschlafen.
Am nächsten Tag, dem Samstag, traf ich sie am Nachmittag nach der Arbeit und wir gingen zusammen zu einem Festplatz für Kinder. Es gab Clowns und Zauberer, Buden und Karussells, einen DJ, der Musik auflegte. Die kleinen Kinder tanzten, riefen, hüpften und sangen … es war schön, ihnen zuzuschauen. Doch Eddi war müde, deshalb blieben wir nicht lange. Als wir nach Hause kamen, legte sie sich ins Bett und schlief bis zum frühen Abend. Ich weckte sie gegen sechs, machte uns etwas zu essen und |329| dann war es Zeit für sie, wieder zur Arbeit zu gehen.
»Bist du sicher, dass du es schaffst?«, fragte ich sie. »Du sollst dich schließlich nicht kaputtmachen.«
»Ist schon okay«, sagte sie und unterdrückte ein Gähnen. »Ich bin es nur nicht gewohnt.« Sie lachte und warf mir einen Kuss zu. »Bis später – in Ordnung?«
Ich blieb noch ein, zwei Stunden zu Hause, dann ging ich ins Dorf und sah
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