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Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
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NICHT IN DIE SONNE ZU BEISSEN, REISENDER, DU WIRST DIR DEN MUND VERBRENNEN.
     
    Laut Assule war das ihre Art auszudrücken, daß man, wenn möglich, im Schatten bleiben und einen Oosha tragen – eine Art Sonnenhut der Wüstenbewohner – und genug Wasser mitnehmen sollte. Mit anderen Worten, die Sonne ist ein gefährlicher Feind; riskiere nichts, sonst hast du den Schaden davon.
    Aber irgendwie lag in den Worten noch eine andere Bedeutung für mich. Sie verfolgten mich die ganze Nacht, so daß ich nicht schlafen konnte. Ich setzte mich in den T-Turm, aber auch dort verfolgten sie mich.
    Versuche nicht in die Sonne zu beißen, versuche nicht in die Sonne zu beißen – mein Mund brannte.
     
6
     
    Am nächsten Morgen ging es Assule wesentlich besser – oder schlechter, je nachdem, wie man es betrachtete. Sein Selbstvertrauen war wiederhergestellt. Er stolzierte überall herum wie ein Pfau und erlaubte sich sogar, ein geringes Interesse an einer der Frauen zu zeigen. Es war wirklich fesselnd zuzusehen, wie sie versuchte, ihn in die eine oder andere Höhle zu locken, während er lediglich das Verlangen hatte, ihr einen Vortrag über diesen furchtbar alten Stamm zu halten, dessen Mitglieder sich gegenseitig fraßen, wenn die Ponka- Herden sich dezimierten, mit großem Zeremoniell natürlich.
    „Jetzt, da der Anfang gemacht ist“, geruhte er mir auseinanderzulegen, als wir bei der dritten Mahlzeit saßen, „werden wir alle Arten von Räumen unter der Erde finden, ganz zweifellos. Waffenräume, zum Beispiel.“
    Oh, es hätte wirklich interessant sein können.
    Es hätte.
    Ich meine, ich dachte an Ruinen und Zitadellen, an Waffen und Drachen, an exotische Ränkeschmiede und so fort, aber bei Assule klang es schon bald, als würde er einen seiner Schwebeböden neu programmieren.
    Die Maschinen buddelten, gruben und lärmten weiter und fanden nicht das geringste. Jedesmal, wenn es einen Knall gab, rannten wir hin, um zu sehen, was los war, aber es war immer nur eine Energieladung explodiert oder so etwas.
    Ich bekam allmählich Klaustrophobie an diesem Platz und wäre gern in die Wüste gelaufen und herumgetollt wie das Tierchen, aber ich war auch ein bißchen agoraphobisch, also ließ ich es. Ich glaubte wirklich, das Tierchen würde fortlaufen und mich verlassen, um in seine ursprüngliche Umgebung zurückzukehren, aber es kam immer zurück. Ich gewöhnte mich daran, es über Felshügel und -täler strolchen zu sehen, übersät von losem Erdreich, glücklich krächzend und niesend, um dann in meine Arme zu stürzen und Sand in alle Richtungen zu wirbeln.
    Spannung lag über allem. Es war nicht unsere dumme, unbedeutende Spannung, sondern die Spannung von Sand und Himmel und Bergen. Assule erklärte uns, daß es die Wüste war, die auf Regen wartete. Er fühlte es nämlich auch, nicht aber die Frauen. Sie machten bestürzte Gesichter und dachten: „O je, wir müssen nun einmal mit diesen schrecklich attraktiven Männern auskommen, und die werden halt hin und wieder plemplem.“
    Ein weiteres Flugzeug mit Vorräten kam an, und eine der Frauen gab tatsächlich auf und beschloß, damit nach Hause zu fliegen. Kurz darauf nahm mich eine der anderen, die typischere von beiden, zwischen den Felsen beiseite.
    „Wissen Sie, meine Liebe“, flötete sie, „ich verstehe wirklich nicht, was ein kleines Jang-Mädchen hier draußen in der Wüste festhält.“
    „Oh, es ist wegen Assule“, sagte ich.
    „Assule?“ fragte sie schockiert.
    „Aber ja.“ Ich lächelte. „Ich weiß, daß er ohne mich nicht zurechtkommt.“
    „Was!“ rief sie.
    „Oh, ich weiß, es klingt vielleicht banal“, sagte ich süß und melancholisch, „aber wenn man ihn so lange kennt wie ich …“
    „So lange kennt wie …?“
    „Seine Höhen und Tiefen mit ihm durchlebt hat …“
    „Höhen und Tiefen …?“
    „Seine Stütze und sein Trost in harten Zeiten gewesen ist …“
    „Trost …?“
    „Dann erkennt man, daß er einen braucht, wirklich braucht, für ein kleines Wort der Ermunterung, für eine gelegentliche Umarmung“, schloß ich und beobachtete dabei, wie sie versuchte, ihre aufsteigende Hysterie zu unterdrücken.
    „Er ist Ihr Erzeuger“, beschuldigte sie mich plötzlich, als Erklärungsversuch dessen, was ich behauptet hatte.
    Ich sah sie beleidigt an.
    „Natürlich nicht“, giftete ich sie an.
    Arme Frau. Sie wurde weiß um die Nase, und ihre Augen sprühten Funken, als ich davonschlenderte.
    Es war trotzdem etwas

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