Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Beiss nicht in die Sonne

Beiss nicht in die Sonne

Titel: Beiss nicht in die Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanith Lee
Vom Netzwerk:
sind wir!“ rief Thinta und führte uns stolz in einer süperben Landung in eins der Netze hinunter. Ich meine, man muß eigentlich gar nichts dazutun. Die Netze sind dazu da, um einen aufzufangen. Jawohl.
    Wir stiegen aus und traten auf einen Roll weg. Es waren sehr viele Leute da, die auf und ab schwirrten, und vor allem Scharen von Jang. Diejenigen, die hinauskamen, diskutierten über die Träume, die sie gehabt hatten – vollgestopft mit Symbolen, abstrakten Projektionen und so weiter. Ich kam mir ziemlich minderwertig vor. Das hatte ich oft. Ich fühlte mich hier schon nicht mehr wohl, wenn ich mir wegen der Träume, die ich mir aussuchte, nicht etwas minderwertig vorkam. Die durchschnittliche Jang-Traum-Ekstase handelt von einem Strahl pulsierenden Lichts, der von glühenden Sonnen, Nova und bleichen, wölken verhangenen Monden angezogen und wieder abgestoßen wird, eine Art kosmischen, alles überragenden Liebesspiels. So habe ich es zumindest einmal gelesen. Hergal träumt jedenfalls vom Fliegen. Guter, alter Hergal.
    Der Grund des Schachtes ist sehr hübsch, viel rosaglimmende, wolkige Architektur, durchzogen von goldenen Strahlen, und das Ganze ist ständig ein wenig in Bewegung. Fein gemaserte Roboter führten uns zu kleinen, transparenten Schlafnischen und halfen uns beim Ausziehen. Sie schnallten uns auf bequemen Luftpolstern an, auf denen man eine stimulierende Massage bekommt, während man träumt.
    Ich winkte Thinta zu, als die Wände, Decken und Fußböden sich langsam vernebelten und undurchsichtig wurden, dann lehnte ich mich zurück und diktierte dem Roboter meinen Traum. Es geht nur darum, ihnen das Gerüst dessen, was man wünscht, zu geben; sie denken sich dann die relevanten Dinge aus, Kostüme, Spezialeffekte und auch verschiedene Verstrickungen und Überraschungen, um einen zu erfreuen. Aber ich war ein bißchen eklig. Ich habe immer sehr genaue Vorstellungen im Kopf, die erfüllt werden sollen. Man hat mir erzählt, daß dies das größte Problem, das meine Lehrer mit mir hatten, in dem zwanzigstel Rorl auf der Hypno-Schule war, obwohl ich mich natürlich nicht bewußt daran erinnern kann. Eine siebendimensionale geometrische Übung konnte ich in ein episches Abenteuer verwandeln, in dem all die Flächen und Doppelflächen in Wirklichkeit die Einwohner einer belagerten Festung waren, die gegen Horden von dreifachen Bisektoren mit Paralysierwaffen ankämpften.
    Der Roboter kämpfte tapfer mit meiner detaillierten Farbbeschreibung, meinen raschen, aber ausgefeilten Kostüm wünschen auf der Gedanken aufzeichnenden Wandfläche, meinen Ansprüchen an die Hintergrundmusik und an die hinreißende Pracht der Palastruinen, die ich noch erweiterte, wann immer mir ein neuer Gedanke kam. Ich glaube, Thinta war schon lange im Reich der Träume, als der Roboter endlich hinausstapfte.
    Ich legte mich zurück, schloß die Augen und wartete. Plötzlich fühlt man diese überwältigende Empfindung, und dann ist man da …
    Oh, gut gemacht!
    Die hinreißende Pracht der Palastruinen, der umgestürzten Marmorblöcke und Säulen, die ohne Dächer in die Höhe ragten, der zerfallenen Treppen und riesigen Fensterhöhlen, durch die brennende Lichtpfeile strömten und herein wallten! Über alldem hing tief ein riesiger Planet wie ein narbiger Smaragd am blaßgrünen Himmel. Trockene, schwach glitzernde Wüste dehnte sich nach allen Seiten ins Unendliche.
    Gerade hatte ich diesen Ort erblickt, nachdem ich Einheit um Einheit ohne Nahrung durch die glühende Leere geritten war. Es dämmerte. Das riesige, lohfarbene Tier, das ich ritt, blieb stocksteif stehen, die Pranken im Sand verankert, den Kopf mit der zottigen Mähne erhoben, um diesen verderblichen Planeten dort oben anzustarren. Ich stieg ab und erkletterte eine der verfallenen Treppen. Ich war ganz golden: goldenes Haar, goldene Haut und goldene Augen, goldene Tunika, hüfthohe Stiefel und bewaffnet mit einem antiken doppelschneidigen Dolch mit vergoldetem Heft. Ich sah mein Spiegelbild in zerbrochenen Glasfußböden und in Spiegelscherben.
    Die Dunkelheit kam. Hoch unter den Ruinendächern bebte es.
    Zwei rote Kerzen voraus. Nein, keine Kerzen. Augen, die mich beobachteten. Ich konnte fühlen, konnte es beschwören, an diesem Ort war etwas, das mir Schaden zufügen würde, wenn ich nicht auf der Hut war. Ich war natürlich ziemlich erschöpft von meiner qualvollen Reise durch die Kristall wüste, aber ich stammte aus einem alten und edlen Geschlecht,

Weitere Kostenlose Bücher