Beiss noch einmal mit Gefuehl
in der Abteilung „Feminismus und magische Theorie“ sortieren. Seine Show wäre allerdings viel überzeugender gewesen, wenn er zuerst den Glasreiniger weggestellt hätte, doch er behielt die Flasche in der Hand, während er mit der anderen umständlich ein Buch nach dem anderen aus dem Regal nahm.
Sebastian hörte auf, den Kopf zu schütteln, und sah mich abermals durchdringend an. „Wir?“
„Hey, Mann“, sagte William, der sich anscheinend wieder von seinem Schock erholt hatte. „Das war ein Majestätsplural. Wegen Lilith.“
Sebastian zog skeptisch eine Augenbraue hoch und sah mich fragend an.
Eigentlich hatte ich mich und Parrish gemeint, aber es lag mir fern, William zu korrigieren. Ich wollte Sebastian auf keinen Fall an Parrish erinnern. Sebastian hasste ihn aus diversen Gründen; unter anderem, weil er mein Ex war und ebenfalls ein Vampir und außerdem ein Ganove mit einem Hang zu Sex, Gewalt und blutigen Spielen in der Öffentlichkeit. Als die beiden sich zuletzt begegnet waren, hatte Sebastian versucht, Parrish zu töten, und es auch fast geschafft. Hauptsächlich aus diesem Grund sollte er weiterhin glauben, er hätte Parrish aus der Stadt gejagt.
Sebastian strich sich erneut das Haar zurück, doch diesmal nahm er William ins Visier. Der sortierte jedoch weiter Bücher und bekam den giftigen Blick des Vampirs gar nicht mit. Zu mir sagte Sebastian: „Was ist jetzt mit dem Lunch? Können wir gehen?“
Er hatte es offensichtlich eilig, das Gespräch unter vier Augen fortzusetzen. „Klar“, sagte ich und holte meinen Mantel.
Die State Street war das Hauptziel aller Touristen in Madison. Da das Warenangebot sowohl auf Besucher als auf Studenten ausgerichtet war, fand man in dieser Straße eine kuriose Mischung aus Bedarfs- und Luxusartikeln vor. Die erfolgreichsten Läden bedienten beide Zielgruppen, zum Beispiel die Boutiquen, die Hippieklamotten für Studenten und teure, mit Perlen bestickte Abendkleider für Touristinnen führten. Es war kurz vor Halloween, und die Saison schlug sich in vielen Schaufenstern nieder - anscheinend standen auch die als Mumien zurechtgemachten Schaufensterpuppen auf billige Importware.
Als wir am Eingang eines Ladens vorbeigingen, trug uns ein warmer Luftstrom den Geruch von speziell gewürztem Gourmet-Popcorn zu. Der leckere Duft von Chili-Pfeffer und Käse ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Zahllose Tauben hatten sich unter den fast schon kahlen Ahornbäumen versammelt. Sie flatterten gurrend auf, als wir an ihnen vorübergingen.
Wir brauchten ein paar Minuten, bis wir Cecil’s Deli erreichten. Das Gebäude war ein Stück von der Straße zurückgesetzt, wodurch es noch mehr nach einem Rattenloch aussah als die vielen anderen kleinen Läden.
Drinnen war es warm, und es roch nach Pastrami und Roggenbrot. An den meisten Tischen in dem winzigen Lokal saßen Studenten, die ihre Lehrbücher aufgeschlagen neben sich liegen hatten. Sebastian und ich setzten uns an einen freien Tisch mit Plastikstühlen und einer etwas klebrig anmutenden rot-weiß karierten Kunststoffdecke.
Eine Kellnerin drückte jedem von uns eine laminierte Speisekarte in die Hand und stellte uns Wasser in schlichten, robusten Gläsern hin, die von unzähligen Spülmaschinendurchgängen schon ganz trüb geworden waren. Das Wasser schmeckte etwas metallisch, aber es war eisgekühlt und köstlich, und ich trank mein Glas sofort in großen Schlucken aus.
Dann überflog ich die eng beschriebene, handgedruckte Speisekarte, aber mit meinen Gedanken war ich ganz woanders. „Was soll ich denn jetzt machen?“, fragte ich niedergeschlagen.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass Lilith so schlampig war und eine identifizierbare Leiche zurückgelassen hat.“
Ich verzog das Gesicht. „Lilith hat das Töten erledigt und ist wieder verschwunden“, erklärte ich, nachdem ich mich vergewissert hatte, dass uns niemand zuhörte. Die meisten Studenten ringsum hatten die Stöpsel ihrer iPods in den Ohren. Vorsichtshalber beugte ich mich zu Sebastian vor und dämpfte meine Stimme. „Um alles andere konnte ich mich kümmern. Es war mein erster Mord, okay? Das Entsorgen von Leichen ist nun wirklich nicht mein Fachgebiet!“
Sebastian gluckste. „Wohl kaum. Aber immerhin ist seitdem schon fast ein Jahr vergangen. Das ist ziemlich gut für eine Anfängerin.“
Ich hätte vermutlich nicht beleidigt sein sollen, weil er mich in Sachen Mord als Amateurin bezeichnete, aber ich war es trotzdem.
Weitere Kostenlose Bücher