Beiss noch einmal mit Gefuehl
Lebenszeichen zu suchen, aber sie hielt höflich ihren Blick gesenkt. Als sie Sebastian das Sandwich servierte, überprüfte ich ihre Aura.
Doch es war nicht mehr zu sehen als der leichte, tiefviolette Schimmer eines frisch gebackenen Zombies.
Sebastian nahm einen großen Bissen von seinem Sandwich. „Ah, ich liebe Sauerkraut!“
Ich tunkte ein dreieckiges, buttertriefendes Stück Toast in das Eigelb auf meinem Teller. Zwei Zombies an einem Tag. Nicht mein Problem, dachte ich kopfschüttelnd und beobachtete die Kellnerin, wie sie mit einer großen Kaffeekanne durch das Lokal schlurfte. Ich hatte andere Sorgen. „Im Ernst, Sebastian. Was soll ich denn mit dem FBI machen?“
„Den Agenten umbringen, kommt wohl nicht in Betracht?“
Sebastian grinste zwar, aber ein reiner Scherz war seine Frage nicht gewesen. „Nein“, fühlte ich mich genötigt zu sagen. „Wenn wir einen FBI-Agenten verschwinden lassen, dann schicken sie definitiv Verstärkung.“
„Na ja“, entgegnete Sebastian leichthin und biss noch einmal in sein Sandwich. „War nur so ein Gedanke.“
Ich kannte ihn inzwischen gut genug, um zu wissen, dass er nicht so abgebrüht war, wie er tat, aber ich war auch dabei gewesen, als er die Mörder des Vatikans mühelos ins Jenseits befördert hatte. Er hatte sicherlich das Zeug zum Killer. „So leicht bringst du doch niemanden um, oder?“
Er schüttelte kauend den Kopf. „Nein, und das hat viele Gründe. Vor allem ziehen Tote, wie du siehst, immer jede Menge Aufmerksamkeit auf sich. So ein Aufsehen können Vampire nicht gebrauchen. Das würden wir nicht überstehen.“
Wahrscheinlich nicht. Sie erwarteten die gleichen Probleme, wie ich sie nun mit der Polizei hatte, und alle möglichen anderen ... Und außerdem blieb auch immer jemand zurück; jemand, der trauerte.
Wie ich. Nur dass ich nie richtig innegehalten hatte, um den Verlust meines Zirkels zu betrauern. Seit es passiert war, war ich auf der Flucht, auch psychisch. Und nun, da es auf Halloween zuging, erinnerten mich so viele Dinge an das schreckliche Erlebnis. Vor ein paar Tagen erst hatte ich gesehen, dass der Hutladen auf der State Street spitze Hexenhüte im Angebot hatte. Um Samhain herum hatten wir solche Hüte immer zum Spaß bei den Treffen des Zirkels getragen. Wir hätten sie auch in jener Nacht bei dem gemütlichen Teil des Rituals aufgesetzt, wenn die Hexenjäger des Vatikans nicht gewesen wären.
Ich stocherte nachdenklich mit der Gabel in meinen Spiegeleiern herum. Die Kehrseite der Medaille war natürlich, dass es irgendwo auch jemanden gab, der um die toten Vatikan-Agenten trauerte.
Aber was kümmerte mich das? Ich meine, diese Leute waren die eigentlichen Mörder; sie hatten den Zirkel überfallen und meine Freundinnen auf der Grundlage eines uralten, schlecht übersetzten Verses aus der Bibel getötet.
Ich ließ meinen Blick über die Gesichter der fremden Leute ringsum schweifen, die beim Brunch saßen. Sie alle hatten Freunde und Familie. Hatte der Wert eines Menschenlebens etwas mit dem Grad der religiösen Überzeugung zu tun? War ein Mensch nicht ein Mensch, egal, wie klein und unbedeutend er war, wie Dr. Seuss einmal gesagt hatte? Hatte ich das Recht gehabt, sie umzubringen, um den Tod meiner Freundinnen zu rächen? Um mich selbst zu schützen?
„Hätte ich mich anders verhalten sollen?“, fragte ich und nahm endlich einen Bissen von dem Ei. „Hätte ich die Polizei rufen sollen, statt die Leichen verschwinden zu lassen?“
Sebastian überlegte einen Moment. „Was hättest du denn gesagt? ,Hallo, ich habe gerade sechs Leute getötet, würden Sie mich bitte festnehmen?'“
„Aber es war doch Notwehr, oder nicht?“
„Selbstverständlich“, beruhigte er mich. „Abgesehen davon ist es nicht falsch, wenn man es selbst in die Hand nimmt, der Gerechtigkeit Genüge zu tun. Man muss das Böse bekämpfen, wo man es sieht. Auf Polizei und Justiz kann man sich in dieser Hinsicht nicht verlassen. Das hat die Geschichte schon oft genug bewiesen.“
Das Stück Brot, auf dem ich herumgekaut hatte, blieb mir im Rachen kleben. War es das, was ich getan hatte? Hatte ich Selbstjustiz geübt?
Mir wurde übel. Bilder, die ich seit jener Nacht verdrängt hatte, tauchten plötzlich wieder vor meinem geistigen Auge auf: Als ich zu mir gekommen war, hatten meine Hände den Hals eines Vatikan-Agenten umklammert. Ich hatte seine Luftröhre so fest zusammengedrückt, dass die Sehnen zwischen meinen Daumen und Zeigefingern
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