Beiss noch einmal mit Gefuehl
bisher kennengelernt hatte, mochte ich sehr. Da Sebastian aus Österreich stammte - und, wie ich vermutete, zum Teil auch wegen seines deutlich hörbaren Akzents -, scharte er Freunde aus aller Herren Länder um sich, die zumindest für mich einen exotischen Touch hatten. Sein Bauernhof diente immer wieder ausländischen Studenten und Dozenten als Übergangsherberge. Das gefiel mir, denn dadurch machte ich ständig interessante Bekanntschaften.
Sebastians Freunde waren nicht das Problem, sondern vielmehr seine Blutspender. Die meisten von ihnen waren Vampir-Groupies, die süchtig nach dem Schmerz und dem Kick des Bisses waren.
Der Vampirbiss ist eine sexuelle Angelegenheit. Wegen seiner höchst aphrodisierenden Wirkung müssen die meisten Vampire nicht töten, um sich zu ernähren. Sie müssen sich lediglich eine Schar von willigen Opfern zulegen, Groupies, Beiß-Spielzeuge ... Konkurrenz.
Ich nahm rasch einen Schluck Kaffee und zog unwillkürlich den Kopf ein. Ich wusste, was jetzt kam.
Sebastian seufzte. „Herrgott noch mal, nicht das schon wieder!“
„Nein, so habe ich das überhaupt nicht gemeint, ehrlich!“, beteuerte ich, aber ich bezweifelte, dass er mir glaubte. Und das war allein meine Schuld. Schließlich hatte ich in den vergangenen Monaten keine Gelegenheit ausgelassen, um mich in eifersüchtigen Sticheleien zu ergehen.
„Wie soll ich meinen Hunger denn sonst stillen?“, fragte Sebastian.
Ich nahm mein Besteck und wickelte es aus der Serviette, weil ich nicht wusste, was ich sagen sollte. Was erwartete ich eigentlich von ihm? Dass er meinetwegen verhungerte? Ich hatte zu Beginn unserer Beziehung ziemlich unmissverständlich klargemacht, dass mir die Vorstellung nicht behagte, mit jemandem zusammen zu sein, der mich als Nahrungsquelle betrachtete. Also biss Sebastian mich nur beim Sex; er knabberte ein bisschen an mir herum, aber immer nur zum Spaß. Ich hatte gerade wieder einen solchen „Liebesbeweis“ an der Innenseite meines Oberschenkels, doch es war kaum mehr als ein Kratzer, nur eine kleine Neckerei.
Sebastian war zwar ein ungewöhnlicher Vampir, aber auch er brauchte Blut zum Überleben. Und meins verweigerte ich ihm. Also musste er wohl oder übel auf die Jagd gehen.
Doch zu wissen, dass er auch andere hatte, musste mir deshalb noch lange nicht gefallen.
„Garnet“, sagte er mit seiner sanften, schmeichelnden Baritonstimme. „Du weißt, dass diese Frauen mir nichts bedeuten.“
„Ich will nicht darüber reden!“, erwiderte ich, und das war nicht gelogen. Ich wusste nie so recht, was ich davon halten sollte, wenn ein Mann mir sagte, dass die anderen Frauen in seinem Leben bedeutungslos waren. Die Feministin in mir hatte stets das merkwürdige Bedürfnis, sich mit den anderen Frauen zu solidarisieren. Außerdem erzählte er den anderen möglicherweise das Gleiche, wenn sie nach mir fragten.
Ich schüttelte den Kopf, weil ich Sebastian eigentlich nicht für so kalt und berechnend hielt. „Weißt du, deine Blutspenderinnen sind mir im Moment nicht so wichtig.“
Sebastian sah mich skeptisch an.
Nun stieß ich einen tiefen Seufzer aus. Ich steckte die Hand in die Hosentasche und tastete nach dem kleinen Stoffbeutelchen mit Kräutern, das ich immer bei mir trug. Dieses Anti-Eifersuchts-Zaubersäckchen hatte ich mir zugelegt, kurz nachdem ich festgestellt hatte, dass ich durch Liliths Blutbund auch emotional an Sebastian gebunden war. Es enthielt High John the Conqueror Root als Kraftspender und Rosmarin, der mir helfen sollte, immer an die guten Momente zu denken, die ich mit Sebastian hatte. Ich schloss die Augen und versuchte zu visualisieren, wie sich der grüne Nebel der Eifersucht auflöste, der mich umgab.
Es funktionierte nicht.
Ich hatte mir vorgenommen, mich diesmal in Toleranz zu üben. Ich gab mir zumindest alle Mühe. Das Problem mit den Blutspendern hatte Parrish und mich letztlich auseinandergebracht, und ich wollte nicht, dass mir so etwas noch einmal passierte. Abgesehen davon war es schlecht fürs Karma, wenn man eifersüchtig und besitzergreifend war. Es brachte nur negative Schwingungen. Einen solchen Ballast konnte ich nicht gebrauchen.
Ich hatte schon genug am Hals.
Apropos. „Was mache ich denn bloß mit Special Agent Dominguez?“, fragte ich ratlos.
Das Essen wurde serviert. Als die Kellnerin mir einen großen ovalen Teller mit Bratkartoffeln und Spiegeleiern hinstellte, nahm ich eindeutig Friedhofsgeruch wahr. Ich versuchte, in ihren Augen nach
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