Beiss noch einmal mit Gefuehl
mich vor einem Jahr von ihm getrennt!“
„Ich kann dir sagen, warum.“
„Na, dann los“, meinte ich. „Erklär es mir!“
Sebastian lehnte sich in seinem Sessel zurück, und sein Blick wanderte zu dem regennassen Fenster. Er holte tief Luft, obwohl er eigentlich gar nicht zu atmen brauchte. Dann ergriff er das Wort, ohne mich anzusehen. „Ich spüre es, Garnet. Wenn du ihn ansiehst... Parrish, meine ich. Ich spüre ganz genau, was du empfindest. Weißt du, wie gruselig und schmerzlich es für mich ist, diesen Mann mit deinen Augen zu sehen?“ Ein trauriges kleines Lächeln spielte um seine Mundwinkel. „,Er ist mein Beschützer, sagt meine innere Stimme. ,Er ist derjenige, bei dem ich Hilfe suche, wenn es Probleme gibt - er ist mein Held, der mir zur Rettung eilt.' Verflucht, ich werde wahnsinnig, wenn wir zu dritt in einem Raum sind. Ich will ihn abwechselnd schlagen und küssen. Das ist doch total irre!“
Es war in der Tat sonderbar. Ich hätte Sebastian sicherlich mehr bedauert, wenn ich nicht ähnliche Probleme gehabt hätte, sobald ich auf der Straße eine Frau sah, die für ihn anziehend war, und ich es ebenso empfand. Es war alles sehr verworren.
„Was glaubst du, wie es für mich ist, wenn du dich über eine deiner Blutspenderinnen hermachst?“
Er sah mich grimmig an. „Ich werde nicht zulassen, dass du mit deinen Eifersüchteleien vom Thema ablenkst!“
„Mit meinen Eifersüchteleien?“, rief ich. „Du bist doch total fanatisch, was meinen Ex angeht!“
Sebastian stand abrupt auf. Er starrte mich wütend an, und seine Wangenmuskeln zuckten. In diesem Moment ging ihm vermutlich einiges durch den Kopf, doch er beherrschte sich und sagte nur: „Du musst dich entscheiden, Garnet. Willst du mit ihm in der Vergangenheit leben oder mit mir in der Zukunft?“
„Mit dir“, entgegnete ich. „Diese Entscheidung habe ich längst getroffen. Warum glaubst du mir das nicht?“
„Weil er dir immer noch so viel bedeutet. In Krisenzeiten suchst du bei ihm Hilfe.“ Dann schob er leise nach, fast als wagte er nicht, es laut auszusprechen: „Statt bei mir.“
Sebastian wollte mein Retter sein. Ich liebte diese Einstellung bei Männern. Sie war so durch und durch Alpha. „Aber du bist jetzt mein Held“, sagte ich, obwohl ich wusste, dass es nichts half. „Das mit dem FBI ist nur eine ungewöhnliche Situation, eine Ausnahme. Es wird nicht immer so sein.“
„Doch es ist ziemlich eindeutig, dass er dir früher schon geholfen hat und du dich erst kürzlich wieder an ihn gewandt hast. Ihr habt anscheinend eine Art Geheimcode“, murrte Sebastian und verschränkte defensiv die Arme vor der Brust.
„Wovon redest du?“
„Meadow Spring. Was zum Teufel ist das überhaupt? Es klingt wie der Name eines billigen Hotels.“
„Das“, fuhr ich wütend auf, „war mein Hexenname!“
Ein Hexenname ist mehr als nur ein Spitzname. Er soll ein Spiegelbild des wahren Ichs sein; ein Hilfsmittel, um die normale Welt ganz bewusst hinter sich zu lassen. Ja, okay, Meadow Spring ist nicht annähernd so cool wie Coyote Moonspirit, aber mir bedeutete der Name etwas. Als ich ihn gewählt hatte, war mein ökologisches Bewusstsein gerade erwacht; inzwischen bin ich ein großer Fan von Mülltrennung und Recycling, von Autos mit Hybridmotor und Umwelt- und Naturschutz. Ich hatte einen Namen haben wollen, der meine innere Erdgöttin widerspiegelte.
„Oh“, machte Sebastian verlegen. Dann fügte er mit einer gewissen Spitzfindigkeit hinzu: „Noch etwas, das ich nicht von dir wusste.“
„Weil ich nicht mehr Meadow Spring bin! Sie ist in jener Nacht zusammen mit dem Rest des Zirkels gestorben.“
„Nein, das stimmt nicht. Sie lebt in Parrish fort“, widersprach mir Sebastian. „Deshalb kommst du nicht von ihm los.“
Ich öffnete den Mund, aber ich hatte keine clevere Erwiderung parat.
Sebastian schwieg, und wir warteten beide ein paar Minuten auf eine Antwort von mir. Ich überlegte mir, dass Sebastian möglicherweise recht hatte, doch ich wusste nicht, was ich mit dieser Erkenntnis anfangen sollte. Denn wenn ich Parrish gehen ließ, ließ ich auch das letzte bisschen Meadow Spring ziehen, das noch in mir war - und war das nicht so, als verlöre ich meinen Zirkel gleich noch einmal?
Sebastian ging zur Tür, doch bevor er den Raum verließ, sagte er, ohne sich zu mir umzudrehen: „Ich bin direkt gegenüber. Ich bin immer in der Nähe, wenn du mich brauchst, Garnet. Immer.“
Damit schloss er die Tür
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