Beiss noch einmal mit Gefuehl
weiße Steine aus der Rabatte aus den Weg. „Dann bleibe ich auch.“
„Nein, das ist eine ganz schlechte Idee, William. Er könnte dich verhaften lassen.“ In der Ferne waren Polizeisirenen zu hören. Vielleicht hatten sie gar nichts mit uns zu tun, doch sie machten mich trotzdem nervös. „Aber wenn ich gehe, dann gehst du auch?“
William nickte.
„Okay.“ Die Sanitäter würden sich um Dominguez kümmern, sagte ich mir. Ich flüchtete nicht von einem Tatort, und ich hatte nichts Böses getan. „Verschwinden wir also!“
William führte mich zu einem schwarzen Beetle-Cabrio, zog den Schlüssel aus der Tasche und entriegelte per Fernbedienung die Türen.
„Ist das deiner?“, fragte ich ungläubig. Was für ein schicker Wagen! Aber auf gewisse Weise passte er zu William. Er war zweifelsohne trendy - doch das war inzwischen auch schon wieder fünf Minuten her.
„Mehr oder weniger“, entgegnete William und hielt mir die Tür auf.
Ich ließ mich vorsichtig auf den Beifahrersitz sinken und schnallte mich leise ächzend an. William musterte mich neugierig.
„Alles in Ordnung?“, fragte er, nachdem er sich angeschnallt und umständlich seinen Gurt zurechtgerückt hatte. Als ich seine langsamen, unbeholfenen Bewegungen beobachtete, nahm ich mir vor, auf keinen Fall ihn anzurufen, falls ich einmal jemanden brauchte, der mich schnell aus der Stadt brachte.
„Ich wurde angeschossen.“
William stellte sorgfältig und lehrbuchgemäß den Rückspiegel ein, bevor er den Schlüssel ins Zündschloss steckte und den Motor anließ. Er schaute über die Schulter und setzte den Blinker, dann fuhr er los. „Mit einer Pistole?“
Warum fragte mich das eigentlich jeder? „Ja“, entgegnete ich.
William kratzte sich am Kopf, und seine Dreadlocks hüpften auf und ab. „Wer hat auf dich geschossen?“
„Dominguez.“
Er sah mich schräg von der Seite an, als er vor einem Stoppschild anhielt. „Ach, und da tust du so, als hättest du keine Hilfe gebraucht!“
„Nun, jetzt gerade habe ich auch keine gebraucht“, sagte ich. „Wie sich herausgestellt hat, war ich bis vor Kurzem gar nicht seine Hauptverdächtige.“
Wir blieben exakt sechs Sekunden stehen, und William schaute aufmerksam nach links und rechts, bevor er die Kreuzung überquerte. „Und wer hat es seiner Ansicht nach getan?“
„Parrish.“ Die Sirenen kamen definitiv in unsere Richtung. Sie waren durch die geschlossenen Fenster zu hören. „Ich muss nach Hause, um ihn zu warnen.“
„Ich bringe dich hin.“
Ich lehnte mich in meinem Sitz zurück und betrachtete das kleine leuchtende Plastikskelett, das am Rückspiegel baumelte. Ich wechselte das Thema, um mich vor weiteren unangenehmen Fragen zu schützen. „Wieso ist das ,mehr oder weniger‘ dein Wagen?“, wollte ich wissen. „Oh, William!“, rief ich dann. „Sag bloß, du hast eine neue Freundin?“
„Sozusagen“, entgegnete er, ohne mich anzusehen.
Na, das war mal eine gute Nachricht! William hatte eine schlimme Zeit durchgemacht, seit er festgestellt hatte, dass seine letzte Freundin mehr auf Vampirbisse stand als auf ihn.
Ich freute mich riesig, dass er wieder jemanden gefunden hatte. Nur schien er selbst nicht so schrecklich begeistert zu sein. Er nagte verdrossen an seiner Unterlippe.
Ich stellte also die Frage, die auf der Hand lag: „Wie kann man denn 'sozusagen' mit jemandem zusammen sein?“
„Sie ist polyamorisch eingestellt.“
Viele Leute in der paganistischen Gemeinschaft lebten polyamorisch. Es gab sogar Bücher zum Thema „Polyamorie und Wicca“. Das Wort bedeutete genau das, was die griechisch-lateinische Zusammensetzung nahelegte: viele Lieben. Eine polyamorische Beziehung bestand nicht nur aus zwei Personen, sondern aus dreien oder vieren ... oder noch mehr. Entweder waren alle Beteiligten ineinander verliebt, oder die Gruppe scharte sich um eine Person, die mehrere Liebschaften unterhielt.
Ich hatte diesen Lebensstil immer als furchtbar kompliziert empfunden; vor allem, weil er auf dem Grundsatz fußte, dass die verschiedenen Beziehungen ganz offen und mit dem Wissen und Einverständnis der anderen Beteiligten geführt wurden.
Mir wäre es lieber, gewisse Dinge gar nicht zu erfahren, und so hatte ich es auch immer mit Sebastians Blutspenderinnen gehalten. Was ich nicht unbedingt wissen musste, wollte ich auch nicht wissen. Außerdem kam Polyamorie für mich nicht infrage, weil ich viel zu eifersüchtig war. Ich war noch nie gut im Teilen gewesen,
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