Beiss noch einmal mit Gefuehl
reagierte, als wäre er mit Tränengas besprüht worden. Er stieß einen Schwall von Flüchen aus und rieb sich die Augen. Kupferrote Tränen liefen ihm über die Wangen.
„Wasser!“, rief ich William zu. „Hol Wasser, damit ich ihm die Augen ausspülen kann!“
Als ich mich hektisch umsah und nach den Toiletten suchte, kam eine Büchereiangestellte herbeigerannt. „Wasser und Papierhandtücher!“, schrie ich ihr entgegen. „Und jemand soll einen Krankenwagen rufen!“
„Ich muss nicht ins Krankenhaus - ich muss nur diesen Dreckskerl umbringen!“, knurrte Dominguez, der sich immer noch verzweifelt die Augen wischte.
William wich einen Schritt zurück und zupfte mich am Ärmel. „Jetzt ist ein guter Zeitpunkt, um abzuhauen“, raunte er mir zu. „Das Ablenkungsmanöver ist geglückt, also lass uns weglaufen. Komm!“
„Ich kann hier erst weg, wenn ich weiß, dass es Dominguez gut geht“, erwiderte ich. „Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?“
„Dass wir inzwischen längst auf der Flucht wären, habe ich gedacht“, murmelte William.
Die Bibliothekarin kehrte mit einer Flasche Wasser und einem Paket Papierhandtücher aus dem Toilettenraum zurück. „Setzen Sie sich hier auf diesen Stuhl und legen Sie den Kopf in den Nacken“, wies ich Dominguez an. „Ich versuche, Ihnen die Augen auszuspülen.“ Die Frau half Dominguez, sich auf den Kinderstuhl zu setzen, während ich die Wasserflasche aufschraubte. Sobald er den Kopf nach hinten gelegt hatte, schüttete ich ihm Wasser ins Gesicht. Damit es ihm nicht in den Kragen lief, fing er es, so gut es ging, mit den Papierhandtüchern auf.
„Wird es besser? Brennt es noch?“
Dominguez blinzelte in meine Richtung, und ihm liefen immer noch die Tränen über die Wangen. „Mehr Wasser!“, verlangte er mit zusammengebissenen Zähnen. An William gerichtet, fügte er hinzu: „Wenn ich jetzt blind bin, Bursche, dann wanderst du in den Knast!“
„Ich gehe“, sagte William leise, aber er rührte sich nicht vom Fleck.
„Hat schon jemand einen Krankenwagen gerufen?“, fragte ich und goss noch mehr Wasser über Dominguez’ Augen.
Als niemand antwortete, hielt William mir sein Handy hin. In diesem Moment bemerkte ich erst seine Frisur. Er war offenbar schon wieder „konvertiert“, denn statt eines ordentlichen Zopfs hatte er nun eine sonderbare Zottelmähne, die sehr nach dem ersten Dreadlocks-Versuch eines Weißen aussah. Als ich in seine weit aufgerissenen Augen schaute, die hinter seiner John-Lennon-Brille noch größer wirkten, bekam ich Mitleid. Ich konnte mir gut vorstellen, wie er als kleiner Junge mit einem an den Schultern befestigten Handtuch durch den Garten gerannt war und Superheld gespielt hatte. Dominguez konnte ihn, wenn er wollte, wegen Körperverletzung festnehmen. Ich musste ihn also auf dem schnellsten Weg aus der Bücherei schaffen, bevor es dazu kommen konnte.
Ich nahm Williams Handy und schaute auf das Display. „Kein Empfang“, log ich. „Gehen wir schnell nach draußen.“ Ich gab die fast leere Wasserflasche an eine der Bibliothekarinnen weiter, die uns umringten. „Machen Sie sie noch mal voll und spülen Sie seine Augen, bis die Sanitäter kommen, okay?“
Sie nickte, und ich nahm William mit nach draußen.
„Verschwinden wir jetzt endlich?“, fragte er, als wir auf den Parkplatz gingen.
„Wenn ich angerufen habe“, entgegnete ich. Ich wählte rasch die Neun-Eins-Eins und erklärte der Frau am anderen Ende der Leitung, dass Special Agent Gabriel Dominguez ein nicht näher bekanntes Pulver ...
„Es ist Myrrhe!“, warf William ein. „Davon haben wir viel zu viel auf Lager.“
... in die Augen bekommen habe und einen Arzt brauche. Sie fragte mich, ob und wie wir Erste Hilfe geleistet hatten, und dann wollte sie meinen Namen wissen. Ich zögerte. Ein Teil von mir hätte gern offiziell belegt gehabt, dass ich den Krankenwagen gerufen hatte - für den Fall, dass Dominguez irgendwie dauerhaften Schaden davongetragen hatte und diese Sache in das Verfahren gegen mich hineinspielte. Der andere Teil fürchtete sich einfach nur. Die Angst siegte. „Schicken Sie einfach so schnell wie möglich einen Wagen zur Bücherei“, erklärte ich und wiederholte die Adresse.
Ich klappte das Handy zu und gab es William zurück. „Du solltest von hier verschwinden“, sagte ich. „Dominguez ist ziemlich sauer auf dich.“
„Und du?“
„Ich bleibe bei ihm, bis der Krankenwagen kommt.“
William kickte ein paar
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