Beißen für Anfänger 1: Hexenzirkus (German Edition)
es passieren, dass diese sich aufprägt.
Unentschlossenheit und Frustration hafteten am Tresorgriff, doch der überwältigendere Eindruck, das Gefühl, das meinen Geist flutete, war kalte, stille Verzweiflung – die Art von Verzweiflung, die mit schweißnassen Handflächen einhergeht. Eine der Personen, die den Safe angefasst hatten, war in einer derart desolaten Gemütsverfassung, dass mir leicht übel wurde, als ich diese Erinnerung einfing.
Ich zog die Finger zurück, hatte jedoch nicht mehr die Chance, meine Handschuhe anzuziehen, bevor Absinthe zurückkam. »Ich verstehe nicht, inwiefern du uns helfen könntest, wenn du mir nicht verrätst, wie du arbeitest. Liest du Gedanken? Kannst du die Schuld, die jemand auf sich geladen hat, an seiner Aura erkennen? Bist du ein menschlicher … wie nennt man das noch … Lügendetektor?«
Ich lächelte sie matt an und versteckte meine nackte Hand hinter dem Rücken, damit sie sie nicht sah. Dann trat ich langsam den Rückzug über den schmalen Gang des Wohnwagens an. »Nichts dergleichen, tut mir leid. Meine Mutter denkt einfach, dass ich behilflich sein könnte. Ich liebe Agatha-Christie-Krimis.«
Absinthe verschränkte die Arme und starrte mich verdrießlich an. »Ich finde das überhaupt nicht witzig. Sag mir, wie du uns helfen willst.«
Ich griff mit meiner behandschuhten Linken nach der Türklinke und verbarg weiter meine Kehrseite vor ihr. »Wahrscheinlich werde ich einfach mit allen sprechen und hören, ob irgendwer etwas gesehen hat.«
»Pah!« Sie rang verärgert die Hände. »Das ist nutzlos, völlig nutzlos. Ich habe alle befragt, aber niemand weiß etwas, niemand hat etwas bemerkt. Du verschwendest unsere Zeit.«
Ich zuckte halbherzig mit einer Schulter. »Kann sein, trotzdem habe ich eine Abmachung mit meiner Mutter, und daran halte ich mich.«
Egal, welchen Schaden ich dabei nehme
, fügte ich im Stillen hinzu. »Ich lasse es dich wissen, falls ich etwas herausfinde.«
Absinthe presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen und taxierte mich aus hell glitzernden Augen. Ich stand mit einem Fuß auf der Treppe und dem anderen im Wohnwagen, als ich mich, wie versteinert von ihrem Blick, plötzlich nicht mehr rühren konnte. Meine Kopfhaut kribbelte, als mir klar wurde, was sie im Schilde führte. Ich spürte, wie sie gegen mein Bewusstsein andrängte und nach einem Weg suchte, um in meinen Geist einzudringen. Ich wollte sie anbrüllen, gefälligst aus meinem Kopf herauszubleiben, aber ich hatte das Gefühl, in einem großen Bottich voller Molasse festzusitzen, als würde sich alles um mich herum in Zeitlupe abspielen. Dunkle, eiskalte Panik erfasste mich, als ich spürte, wie sie mich umkreiste, mich einengte und erstickte. Sie würde hineingelangen, und dann wüsste sie alles über mich! Ich konnte nicht atmen; meine Lungen schafften es nicht, Luft aufzunehmen. Ich fühlte mich von Absinthes Kraft zermalmt, von ihrer Fähigkeit, meinen schwachen Widerstand mühelos zu überwinden und meinen Kopf zu erstürmen. Alles wurde grau um mich, als eine Welle der Benommenheit über mich hinwegschwappte.
Nein!
, kreischte mein Hirn.
Fran?
Wärme erfüllte mich und lockerte den Würgegriff, in dem Absinthe mich hielt; meine Lungen konnten sich ausdehnen und die dringend benötigte Luft einsaugen. Ich klammerte mich an der Wärme fest.
Ben?
Stimmt etwas nicht?
Er klang auf eine behagliche Weise schläfrig, so als kuschelte er sich an einem kalten Wintermorgen in ein warmes Bett. Der Kontakt seines Geists mit meinem war tröstlich, er vertrieb die graue Benommenheit, und ich fühlte mich sicher.
Absinthe versucht, in mein Bewusstsein einzudringen. Sie wird die Wahrheit über mich herausfinden – und über dich.
Das mit mir weiß sie schon. Mach dir keine Sorgen; sie wird nicht hineingelangen. Stell dir einfach vor, du wärst in einer abgeschlossenen Kammer. Es gibt keinen Weg hinein und keinen heraus. Da bist nur du. Stell dir dich darin vor, dann kann sie nicht in deinen Kopf gelangen
.
Ich holte tief Luft, dabei hielt ich den Blick unverwandt auf Absinthe gerichtet, die einen weiteren Sturmangriff auf mein Hirn begann. Meine Knie drohten, unter der Wucht ihrer Attacke nachzugeben.
Ben!
Denk an die verschlossene Kammer, Fran
. Seine Stimme war so tröstlich, so zuversichtlich, dass es mir gelang, die dunkle Panik teilweise in den Griff zu bekommen. Ich stellte mir einen Raum vor, der ganz aus Edelstahl bestand, mit abgerundeten Ecken, deren Nähte
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