Bekehrung: Ein Eifel-Krimi (Eifelkrimis) (German Edition)
übrigens auch Einstein gesagt. Ja, da staunst du. Ich beschäftige mich neuerdings nämlich auch mit Physik. Kriegst sie gewaschen wieder. Und jetzt keinen Kaffee mehr. Was Stärkeres.«
Da ich mich mit dem Bild von Hochwasserjoggings und ungleichen Strümpfen für ausreichend bewaffnet halte, knalle ich die Flasche Single Malt auf den Tisch.
Im Laufe der nächsten Stunden verliert das Bild allerdings seine Wirkung. Vor allem, als Marcel in tiefer Nacht sehr persönlich wird: »Du hast verbrannte Erde hinterlassen, Katja.«
Bis dahin hatten wir uns auf ungefährlichem Terrain bewegt, über unsere Freunde gesprochen und die neuen Bewohner von Gudruns ehemaligem Elternhaus, das sie für David vermietet hat.
»Robert aus Radevormwald wohnt da?«, fragte Marcel ungläubig. »Der Mann, der uns letztes Jahr den entscheidenden Tipp gegeben hat?«
»Der hat Haus und Grundstück für seine Tochter gemietet. Selbst kommt er nur an den Wochenenden.«
»Was will ein junges Mädchen allein in einem großen Haus auf der Kehr?«
»So jung ist Bianca nun auch nicht, Ende zwanzig. Auch wenn sie ungeheuer naiv ist und mit ihren Zöpfchen auf achtzehn macht. Sie will sich vom fürchterlichen Ende einer grauenvollen Ehe erholen.«
»Ausgerechnet hier?«
»Ursprünglich wollte sie so weit weg von ihrem Ex wie nur möglich. Schafe züchten in Neuseeland. Das war Robert zu weit. Vor allem, weil er Flugangst hat. Schafe könne sie auch in der Eifel haben, sagte er, und weil er alles bezahlt, hat sie zugestimmt.«
»Die züchtet da drüben jetzt Schafe?«, fragte Marcel ungläubig.
»Dafür fehlt ihr der Bock. Sie hält sich eine kleine Herde von sechs Schafen. Da fällt ’ne Menge Wolle ab.«
»Ach, daher das Spinnrad in Gudruns Zimmer. Ich hatte mich schon gewundert.«
»Sie spinnt, was das Zeug hält. Und Jupp strickt.«
»Früher hat er geklöppelt.«
»Hat ihm Hein verboten. Genug Deckchen.«
»Zieht Hein die Pullover wirklich an, die Jupp ihm strickt?«
»Er strickt keine Pullover für Hein.«
»Für wen dann?«
Eigentlich eine völlig harmlose Frage. Doch ich zögerte mit der Antwort. Weil ich schon ahnte, dass Marcels Reaktion darauf die fragile Wand umwerfen würde, die wir mit belanglosem Small Talk über andere errichtet hatten. Trotz des Whiskys hatten wir stundenlang erfolgreich vermieden, irgendetwas Persönliches preiszugeben. Jetzt beschlich mich Angst vor der Vertrautheit gemeinsamen Gelächters. Ich fürchtete den neuen Druck, der nach dem Dampfablassen meinem verräterischen Herzen zusetzen könnte.
Marcel wartete mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Für Bäume«, murmelte ich und atmete tief aus. Jetzt bloß nicht lachen.
»Für wen?«
»Du hast schon richtig gehört. Jupp zieht Bäume an. Mit leuchtend grell gefärbten, selbst gestrickten Wollsachen. Wenn er sie bei dem Wetter schon nicht fällen kann …«
Wir prusteten beide los.
»Das heißt Guerilla-Stricken, aber Jupp nennt es Gorilla-Stricken«, brachte ich hervor. »Weil er dafür in die Bäume reinklettern muss.«
»Mon dieu, hat mir das alles gefehlt!«, keuchte Marcel, wischte sich die nassen Augen ab und prostete mir zu.
Dann wurde er mit einem Mal sehr ernst und kam aus dem Nichts heraus mit der verbrannten Erde. Was da dann zwischen seinen Lidern glitzerte, sah nicht nach Lachtränen aus. Ich vergaß alles, was ich mir über Strümpfe und Hochwasserjoggings hatte merken wollen, widerstand dem Drang, mich zu erklären, und flüchtete nach einem freundlichen Gute Nacht in mein Schlafzimmer; dankbar, dass ich an meinem Whisky nur genippt hatte.
Der nächste Morgen
Ich fahre mit einem Ruck auf, brauche einen Augenblick, um mich zu orientieren. Dann weiß ich es wieder. Gestern hat eine Frau einen Priester in der Einkehr erschossen, und Marcel hat danach bei mir übernachtet. Auf dem Sofa.
Aber wieso liegt dann auf dem Kissen neben mir eine sorgfältig zusammengefaltete Nylon-Soutane? Es durchläuft mich heiß und kalt.
Nichts ist passiert, beruhige ich mich. Warum traue ich mich dann nicht, unter der Bettdecke nachzusehen? Erst wach werden, befehle ich mir, klar denken. Ich komme mir wie durch den Wolf gedreht vor. Am Alkohol kann es nicht gelegen haben. Aus den Tiefen meines Unterbewusstseins meldet sich ein Traum zurück. In dem Marcel so etwas gesagt hat, wie das Sofa ist schrecklich unkomfortabel.
Ich werfe mir die Decke vom Leib und atme erleichtert aus. Egal, ob nüchtern oder beschwipst: Marcel hätte die Strippe am Bund
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