Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
hier in der Bel-Étage eines stattlichen Mietshauses befindlichen Luxemburgischen Gesandtschaft formell Besuch ablegte, und so tat ich. Ohne viel nach der An- oder Abwesenheit des diplomatischen Vertreters meiner Heimat, eines Herrn von Hüon, oder seiner Gattin zu fragen, übergab ich einfach dem öffnenden Diener zwei meiner Karten, auf deren eine ich meine Adresse kritzelte, und ersuchte ihn, sie den Herrschaften, Monsieur und Madame de Hüon, vor Augen zu bringen. Es war ein schon bejahrter Mann mit ergrautem Kraushaar, Ringen in den Ohren, etwas wulstigen Lippen und einem gewissen schwermütigen Tierblick, der mir über die Mischung seines Geblütes Gedanken machte und ihm meine Sympathie gewann. Besonders freundlich nickte ich ihm zum Abschied zu, da er ja gewissermaßen aus Zeiten kolonialer Blüte und des goldenen Weltmonopols auf Spezereien stammte. Zurückgekehrt auf die Rua Augusta, verfolgte ich die vielbegangene und -befahrene Straße weiter hinauf gegen einen Platz, den mir der Hotelportier als den bedeutendsten der Stadt, genannt Praça de Dom Pedro Quarto, oder im Volksmunde ›O Rocio‹, empfohlen hatte. Der Anschaulichkeit wegen sei hinzubemerkt, daß Lissabon von zum Teil recht erheblichen Hügeln eingefaßt ist, an denen, rechts und links der geradlinigen Straßen der Neustadt, die weißen Häuschen höherer Wohnviertel fast unvermittelt emporsteigen. Ich wußte, daß irgendwo in diesen oberen Regionen Professor Kuckucks Heim gelegen war, und blickte darum viel dorthinauf, ja erkundigte mich bei einem Polizisten (ich sprach stets besonders gern mit Polizisten), mehr deutend als redend, nach der Rua João de Castilhos, deren Namen ich auf Kuckucks Karte gelesen. Er wies dann auch mit ausgestrecktem Arm in die Gegend dieser Villenstraße und fügte in seinem Idiom, mir so unverständlich wie dasjenige, das ich schon im Traum vernommen, etwas von Tram, Seilbahn und Mulos hinzu, offenbar auf meine Beförderung bedacht. Auf französisch dankte ich ihm vielmals für seine im Augenblick gar nicht dringliche Auskunft, und salutierend legte er zur Beendigung des kurzen, aber gestenreichen und erfreulichen Gesprächs die Hand an seinen Sommerhelm. Wie reizend ist es doch, die Ehrenbezeigung eines solchen schlicht, aber schmuck uniformierten Wächters der öffentlichen Ordnung zu empfangen!
Man lasse mich aber diesen Ausruf ins Allgemeine erheben und denjenigen glücklich preisen, dem eine das gemeine Maß überschreitende, immerfort und auch bei den unscheinbarsten Gelegenheiten wirksame Reizempfänglichkeit von der Fee seiner Geburt zum Angebinde gemacht wurde. Zweifellos bedeutet diese Gabe eine Erhöhung der Empfindlichkeit überhaupt, das Gegenteil der Stumpfheit, und bringt also auch viel Peinlichkeit mit sich, die anderen erspart bleibt. Aber froh will ich wahrhaben, daß der Gewinn an Lebensfreude, den sie einträgt, jenem Nachteil – wenn es einer ist – mehr als die Waage hält, und es war diese Gabe der Empfänglichkeit für leiseste und sogar alltägliche Reize, die mich den Vornamen, gegen welchen mein Pate Schimmelpreester sich bitter verhielt und der mein erster und eigentlicher war – nämlich Felix –, allezeit als den mir wahrhaft zukömmlichen betrachten ließ.
Wie wahr hatte Kuckuck gesprochen, als er die vibrierende Neugier nach nie erfahrener Menschlichkeit das Hauptingrediens aller Reiselust genannt hatte! Meine Umschau unter der Population der verkehrsreichen Straße, unter diesen Schwarzhaarigen, lebhaft die Augen bewegenden und mit den südlichen, ihre Rede ausmalenden Händen, war die herzlichste, und ich ließ es mir angelegen sein, mit ihnen in persönlichen Kontakt zu kommen. Obgleich ich den Namen des Platzes kannte, auf den ich zuging, stellte ich von Zeit zu Zeit diesen oder jenen Passanten oder Anwohner nach diesem Namen zur Rede, Kinder, Frauen, Bürger und Matrosen, – nur um, während sie, fast immer sehr höflich und ausführlich, antworteten, ihre Gesichter, ihr Mienenspiel zu betrachten, auf ihre fremde Rede, ihren oft etwas exotisch heiseren Stimmklang zu lauschen und mich in gutem Einvernehmen wieder von ihnen zu lösen. Auch legte ich eine Unterstützung, deren Höhe ihn überrascht haben mag, in die Bettlerschale eines Blinden, der, durch ein Pappschild ausdrücklich als solcher empfohlen, gegen ein Haus gelehnt auf dem Fußsteige saß, und half mit noch beträchtlicherer Gabe einem älteren Manne aus, der mich murmelnd ansprach, und zwar einen
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