Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Gehrock mit einer Medaille darauf, aber zerrissene Schuhe und keinen Kragen trug. Er zeigte sich sehr ergriffen und weinte etwas, indem er sich auf eine Art, die anzeigte, daß er, durch welche Charakterschwä chen immer, aus höheren Rängen der Gesellschaft in die Bedürftigkeit hinabgeglitten war, vor mir verbeugte.
       Als ich dann gar den Rocio mit seinen beiden BronzeBrunnen, seiner Denkmalssäule und seinem in sonderbaren Wellenlinien dahingehenden Mosaikpflaster erreicht hatte, gab es der Anlässe weit mehr zu Erkundigungen bei Flanierenden und solchen, die, sich sonnende Nichtstuer, auf den Brunnenrändern saßen: nach den Gebäuden, die hoch über den Saumhäusern des Platzes so malerisch ins Blau ragten, der gotischen Ruine einer Kirche und einer neueren Baulichkeit, die sich dort oben hinzog und sich als das Municipio oder Stadthaus erwies. Unten schloß die Fassade eines Teaters die eine Seite der Praça ab, während zwei andere von Läden, Cafés und Restaurants gesäumt waren. Und da ich denn, unter dem Vorwand der Wißbegier, meine Lust, mit allerlei Kindern dieser Fremde Fühlung zu nehmen, hinlänglich gebüßt hatte, ließ ich mich vor einem der Cafés an einem Tischchen nieder, um auszuruhen und meinen Tee zu nehmen.
       Mir benachbart saß, bei Vesper-Erfrischungen ebenfalls, eine dreiköpfige Gruppe von Herrschaften, die sogleich meine gesittet verhohlene Aufmerksamkeit in Beschlag nahmen. Es waren zwei Damen, eine ältere und eine junge, Mutter und Tochter aller Vermutung nach, in Gesellschaft eines Herrn von kaum mittleren Jahren mit Adlernase und Brille, dessen Haar, unter dem Panamahut, ihm lang und künstlerisch über den Rockkragen hing. Sein Alter reichte wohl nicht aus, den Gatten der Senhora, den Vater des Mädchens in ihm zu sehen. Während er sein Gefrorenes einnahm, verwahrte er, offenbar aus Ritterlichkeit, auf seinem Schoß ein paar reinlich verschnürte Einkaufspakete, derengleichen, zwei oder drei, auch vor den Damen auf der Tischplatte lagen.
    Wenn ich mir zwar den Anschein gab, interessiert das Wasserspiel der nächsten Fontäne zu beobachten oder die Architektur der Kirchenruine dort oben zu studieren, unterderhand aber manchen Seitenblick hingehen ließ über die Gestalten am Nebentisch, so galt meine Neugier und zarte Anteilnahme der Mutter, der Tochter, – denn in diesem Verhältnis sah ich die beiden, und ihre verschiedenartigen Reize verschmolzen mir auf eine entzückende Weise in der Vorstellung dieses Verhältnisses. Es ist das bezeichnend für mein Gefühlsleben. Weiter oben habe ich von der Ergriffenheit berichtet, mit der der einsame junge Pflastertreter einst von seinem Straßenposten aus den Anblick eines lieblich-reichen Geschwisterpaares in sich aufnahm, das für wenige Minuten auf einem Balkon des Hotels ›Zum Frankfurter Hof‹ erschien. Ausdrücklich merkte ich an, daß dieses Entzücken mir von keiner der beiden Figuren für sich, weder von ihm noch von ihr allein hätte erregt werden können, sondern daß ihre Zweiheit, ihr holdes Geschwistertum es war, was es mir so antat. Den Menschenfreund wird es interessieren, wie diese Neigung zur Doppelbegeisterung, zur Bezauberung durch das Ungleich-Zwiefache sich hier, statt am Geschwisterlichen, an der Mutter-Tochter-Beziehung bewährte. Mich jedenfalls interessierte es sehr. Aber ich will nur hinzufügen, daß meine Faszination durch die sehr bald auftauchende Vermutung genährt wurde, daß hier der Zufall ein wunderliches Spiel treibe.
    Die junge Person nämlich, achtzehnjährig, wie ich schätzte, in einem schlichten und lockeren, bläulich gestreiften und mit einem Bande desselben Stoffes gegürteten Sommerkleid, erinnerte mich auf den ersten Blick zum Stutzen an Zaza, – wobei allerdings ein »Nur-daß« meiner Feder zur Pflicht wird. Eine andere Zaza, nur daß ihre Schönheit, oder wenn das ein zu stolzes Wort ist und eher (worüber ich mich sogleich erklären werde) ihrer Mutter gebührte, – nur daß also ihre Hübschheit sozusagen nachweisbarer war, aufrichtiger, naiver als diejenige von Loulou’s Freundin, bei der alles bloß Froufrou, kleines feu d’artifice und besser nicht genau zu prüfendes Blendwerk gewesen war. Hier war Verläßlichkeit – wenn dieses der moralischen Welt entliehene Wort Anwendung finden kann in der des Liebreizenden –, eine kindliche Geradsinnigkeit des Ausdrucks, von der mir in der Folge verblüffende Bekundungen zuteil werden sollten … Eine andere Zaza –

Weitere Kostenlose Bücher