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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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das Töchterchen sicherer aufgehoben sei als unter jeder männlichen Chaperonnage.
    Indessen war es mir nicht wenig willkommen, daß eine solche – zur schicklichen Bedeckung beider Damen an diesem öffentlichen Ort offenbar – vorhanden war. Der bebrillte Herr mit dem langen Haar saß mir von den dreien am nächsten, beinahe Schulter an Schulter mit mir, da er seinen Stuhl seitlich zum Tischchen gestellt hatte und mir sein sehr ausgesprochenes Profil zuwandte. Auf den Rockkragen fallendes Nackenhaar sehe ich gar nicht gern, da es jenen unfehlbar auf die Dauer speckig machen muß. Doch bezwang ich meine Sensibilität und wandte mich, indem ich zugleich mit einem entschuldigenden Blick die Damen streifte, an ihren Kavalier mit diesen Worten:
       »Verzeihen Sie, mein Herr, die Kühnheit eines eben erst angelangten Fremden, der leider die Landessprache nicht beherrscht und sich mit dem Kellner, der begreiflicherweise nur diese spricht, nicht verständigen kann. Verzeihen Sie, ich wiederhole es« – und wieder ging mein Blick, als ob er sie kaum zu berühren wagte, über die Damen hin –, »die Störung durch einen Eindringling! Aber mir ist gar sehr an einer die lokalen Verhältnisse betreffenden Auskunft gelegen. Ich habe den Wunsch und die angenehme gesellschaftliche Pflicht, Besuch zu machen in einem Hause in einer der Villenstraßen der oberen Stadtgegend, Rua João de Castilhos mit Namen. Das Haus, das ich meine – ich füge es gewissermaßen als Ausweis hinzu –, ist das eines hochangesehenen Lissabonner Gelehrten, des Professors Kuckuck. Würden Sie die außerordentliche Güte haben, mich in aller Kürze über die Transportmittel zu informieren, die mir für den kleinen Ausflug dorthinauf zur Verfügung stehen?« Welche Gunst ist es doch, über einen polierten und gefälligen Ausdruck zu verfügen, der Gabe der guten Form teilhaftig zu sein, die mir jene geneigte Fee mit zarter Hand in die Wiege legte und die mir für das ganze hier laufende Geständniswerk so sehr vonnöten ist! Ich war zufrieden mit meiner Anrede, obgleich ich bei ihren letzten Worten etwas ins Schwanken geraten war: aus dem Grunde nämlich, weil das junge Mädchen bei Nennung der Straße und dann bei Erwähnung des Namens Kuckuck ein lustiges Kichern, ja eine Art von Prusten hatte vernehmen lassen. Dies, sage ich, brachte mich etwas aus dem Konzept, – da es doch nur danach angetan war, die Ahnungen, die mich zum Sprechen bestimmt hatten, zu bestätigen. Hoheitsvoll vermahnend, mit Kopfschütteln blickte die Senhora auf ihr Kind wegen dessen Heiterkeitsausbruchs – und konnte sich dann doch selbst eines Lächelns ihrer gestrengen Lippen nicht erwehren, auf deren oberer ein ganz schwacher Schatten von Schnurrbart dunkelte. Der Langhaarige aber, etwas überrascht natürlich, da er – ich darf wohl behaupten: im Gegensatz zu den Frauen – von meinem Dasein überhaupt noch nicht Notiz genommen hatte, antwortete sehr höflich:
    »Ich bitte, mein Herr. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten – nicht alle gleich empfehlenswert, wie ich besser hinzufüge. Sie können einen Fiaker nehmen, aber die Straßen dorthinauf sind recht steil, und der Fahrgast kommt wohl in die Lage, streckenweise neben dem Wagen hergehen zu müssen. Rätlicher ist es schon, die Maultier-Tram zu benutzen, die die Steigungen gut bewältigt. Aber am allergebräuchlichsten ist die Seilbahn, zu der Sie den Eingang hier gleich in der Ihnen gewiß schon bekannten Rua Augusta finden. Dies Verkehrsmittel bringt Sie bequem und geradewegs in die unmittelbare Nähe der Rua João de Castilhos.«
    »Ausgezeichnet«, erwiderte ich. »Das ist alles, was ich brauche. Ich kann Ihnen nicht genug danken, mein Herr. Ihr Rat ist mir maßgebend. Ich danke allerverbindlichst.«
    Und damit zog ich mich gleichsam auf meinem Stuhle
    zurück, mit den entschiedensten Anzeichen, ganz gewiß nicht länger lästig fallen zu wollen. Die Kleine aber, von mir schon Zouzou genannt, die sich gar nicht vor den drohend verweisenden Blicken ihrer Mutter zu fürchten schien, fuhr einfach noch immer fort mit den Bezeigungen ihrer Lustigkeit, so daß schließlich die Senhora kaum umhinkonnte, zur Erklärung dieser Ausgelassenheit das Wort an mich zu richten.
       »Entschuldigen Sie den Frohsinn eines Kindes, mein Herr«, sagte sie in hartem Französisch, mit einer wohllautend beschlagenen Altstimme zu mir. »Aber ich bin Madame Kuckuck aus der Rua João de Castilhos, dies ist meine Tochter Suzanna,

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