Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
so anders in der Tat, daß ich mich nachträglich frage, ob eine eigentliche Ähnlichkeit, wenn ich sie auch mit Augen zu sehen glaubte, überhaupt vorlag. Glaubte ich sie vielleicht nur zu sehen, weil ich sie sehen wollte, wei l ich – sonderbar zu sagen – nach einer Doppelgängerin Zaza’s auf der Suche war? Ich bin über diesen Punkt nicht ganz mit mir im reinen. Sicherlich hatten in Paris meine Gefühle denjenigen des guten Loulou keinerlei Konkurrenz gemacht; ich war in seine Zaza, so gern sie mit mir geäugelt hatte, durchaus nicht verliebt gewesen. Kann es sein, daß ich die Verliebtheit in sie in meine neue Identität aufgenommen, daß ich mich nachträglich in sie verliebt hatte und in der Fremde einer Zaza zu begegnen wünschte? Wenn ich mich meines Aufhorchens bei Professor Kuckucks erster Erwähnung seiner Tochter mit dem verwandten Namen erinnere, so kann ich diese Teorie nicht ganz von der Hand weisen.
       Ähnlichkeit? Achtzehn Jahre und schwarze Augen geben schon Ähnlichkeit ab, wenn man durchaus will, wiewohl die Augen hier nicht flitzten und äugelten wie dort, sondern meistens, wenn sie nicht gerade, etwas bedrängt von verdickten Unterlidern, in amüsiertem Lachen erglänzten, mit einem gewissen unwirschen Forschen blickten, jungenhaft wie die Stimme, die mir ein paarmal bei kurzen Einwürfen zu Ohren kam und gar nicht silbrig, sondern auch eher unwirsch und etwas rauh lautete, ohne alle Minauderie, vielmehr ehrlich und geradezu, eben nach Art eines Jungen. Mit dem Näschen stimmte es gar nicht: es war keine Stumpfnase wie Zaza’s, sondern von sehr feinem Rücken, wenn auch nicht so gar dünnen Flügeln. Beim Munde, gut, da gebe ich noch heute eine Verwandtschaft zu: hier wie dort waren die Lippen (deren Lebensrot hier aber zweifellos reinste Natur war), dank einer Schürzung der oberen, fast immer getrennt, so daß man die Zähne dazwischen sah, und auch die Vertiefung darunter, die liebliche, zur weichen Kehle hinabführende Kinnlinie konnte an Zaza erinnern. Sonst war alles anders, wie die Erinnerung mir zeigt, – aus dem Pariserischen ins Iberisch-Exotische hinübercharakterisiert, besonders durch den aufragenden Schildpattkamm, mit dem das aus dem Nacken hochgeführte dunkle Haar oben befestigt war. Aus der Stirn ging es in einer Gegenbewegung zurück und ließ sie frei, hing aber, sehr reizend, in zwei Zipfeln neben den Ohren hinab, was wiederum einen südlich-fremdartigen, und zwar spanischen Effekt hervorbrachte. Diese Ohren trugen Schmuck, – nicht die langen, schaukelnden Gagatgehänge, die man bei der Mutter sah, sondern enger anliegende, aber ziemlich umfangreiche, von kleinen Perlen eingefaßte Opalscheiben, die auch etwas exotisch bei der Gesamterscheinung mitsprachen. Den südlichen Elfenbeinton der Haut hatte Zouzou – so nannte ich sie nun einmal sogleich – mit ihrer Mutter gemein, deren Typ und Tenue freilich von ganz anderer Art, imposanter, um nicht zu sagen: majestätischer war.
    Höher gewachsen als das anziehende Kind, von nicht mehr schlanker, doch keineswegs übervoller Gestalt in ihrem einfachen, aber vornehmen, am Halsausschnitt und an den Ärmeln spitzenartig durchbrochenen cremefarbenen Leinenkleid, zu dem sie hohe schwarze Handschuhe trug, näherte diese Frau sich dem Matronenalter, ohne es schon erreicht zu haben, und nach gebleichten Einsprengseln im Dunkel ihres Haares unter dem nach damaliger Mode ausladenden, mit einigen Blumen aufgeputzten Strohhut hätte man wohl suchen müssen. Ein schwarzes, mit Silber ausgeziertes Sammetband, das ihren Hals umschloß, kleidete sie sehr wohl, wie auch die baumelnden Jettgehänge, und mochte zu dem Stolz ihrer Kopfhaltung beitragen, einer betonten Würde, die übrigens ihre ganze Erscheinung beherrschte und sich fast bis zur Düsternis, fast bis zur Härte in ihrem ziemlich großen Gesicht mit den hochmütig verpreßten Lippen, den gespannten Nüstern, den beiden gestrengen Furchen zwischen den Brauen malte. Es war die Härte des Südens, die viele ganz verkennen, in der Vorstellung befangen, der Süden sei schmeichlerisch süß und weich und die Härte im Norden zu suchen – eine völlig verkehrte Idee. ›Altiberisches Blut, mutmaßlich‹, dachte ich bei mir selbst, ›also mit keltischem Einschlag. Und allerlei Phönizisches, Karthagisches, Römisches und Arabisches mag auch im Spiele sein. Gut Kirschen essen ist wahrscheinlich nicht mit der.‹ Und ich fügte in Gedanken hinzu, daß im Schutz dieser Mutter

Weitere Kostenlose Bücher