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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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viel krauses Zeug, wie ein untiefer und keine rechte Rast bringender Schlaf es erzeugt: Auf dem Skelett eines Tapirs reitend bewegte ich mich auf einer Milchstraße dahin, die ich als solche daran erkannte, daß sie wirklich aus Milch bestand oder mit Milch bedeckt war, in der die Hufe meines knöchernen Tieres plätscherten. Ich saß sehr hart und schlecht auf seiner Wirbelsäule, mich festhaltend mit beiden Händen an seinem Rippenkorbe, dabei aber übel hin und her geschüttelt von seinem launenhaften Gange, was eine Übertragung des eilenden Zuggerüttels auf meinen Traum sein mochte. Ich aber deutete es mir dahin, daß ich eben nicht zu reiten gelernt hätte und dies schleunigst nachholen müsse, wenn ich als junger Mann von Familie bestehen wolle. Mir entgegen, und beiderseits an mir vorbei, zogen, in der Milch der Milchstraße planschend, eine Menge bunt gekleideter Leutchen, Männlein und Weiblein, grazil, gelblich von Teint und mit lustigen braunen Augen, die mir in einer unverständlichen Sprache – wahrscheinlich stellte es Portugiesisch vor – etwas zuriefen. Eine aber rief es auf französisch, nämlich: »Voilà le voyageur curieux!«, und daran, daß sie französisch sprach, erkannte ich, daß es Zouzou war, während doch ihre bis zu den Schultern entblößten, vollschlanken Arme mir sagten, daß ich es vielmehr – oder auch zugleich – mit Zaza zu tun hatte. Aus allen Kräften zog ich an den Rippen des Tapirs, damit er stehenbleibe und mich absteigen lasse, da es mich sehr verlangte, mich zu Zouzou oder Zaza zu gesellen und mich mit ihr über die Altertümlichkeit des Knochengerüsts ihrer reizenden Arme zu unterhalten. Aber mein Reittier bockte widerspenstig gegen mein Zerren und warf mich ab in die Milch der Milchstraße, worüber die dunkelhaarigen Leutchen, einschließlich Zouzou’s oder Zaza’s, in helles Gelächter ausbrachen, und in diesem Gelächter löste der Traum sich auf, um anderen, ebenso närrischen Einbildungen meines zwar schlafenden, aber nicht ruhenden Hirns Platz zu machen. So zum Beispiel kletterte ich im Traum auf allen vieren an einer lehmigen Steilküste des Meeres herum, indem ich einen langen, lianenartigen Stengel hinter mir dreinzog, die ängstliche Ungewißheit im Herzen, ob ich ein Tier oder eine Pflanze sei, – ein Zweifel, der auch wieder sein Schmeichelhaftes hatte, da er auf den Namen ›Seelilie‹ zu bringen war. Und so fort.
    Endlich, in den Morgenstunden, vertiefte mein Schlaf
    sich denn doch zur Traumlosigkeit, und so knapp erst vor Mittag und vor der Ankunft in Lissabon erwachte ich, daß an Frühstück nicht mehr zu denken und nur eine flüchtige Benutzung der Waschtoilette und der schönen Einrichtung meiner krokodilledernen Handtasche mir vergönnt war. Professor Kuckuck sah ich nicht mehr im Trubel des Bahnsteigs, noch auf dem Platz vor dem maurisch anmutenden Bahnhofsgebäude, wohin ich dem Gepäckträger zu einem offenen Einspänner folgte. Der Tag war licht und sonnig, nicht allzu warm. Der junge Kutscher, der meinen vom Träger eingelösten Kajütenkoffer neben sich auf dem Bock verstaute, hätte sehr wohl zu den Leutchen gehören können, die auf der Milchstraße über meinen Fall vom Tapir gelacht hatten: Zierlichen Wuchses und gelblich von Gesichtsfarbe, ganz nach Kuckucks allgemeiner Kennzeichnung, ein Zigarillo zwischen den leicht aufgeworfenen Lippen unter einem gezwirbelten Schnurrbärtchen, trug er eine runde Tuchmütze etwas schief auf seinem recht struppigen und in die Schläfen hängenden dunklen Haar, und nicht umsonst blickten seine braunen Augen so aufgeweckt. Denn bevor ich ihm das Hotel genannt hatte, wo ich telegraphisch Quartier gemacht hatte, nannte er selber es mir, intelligent über mich verfügend: »Savoy Palace.« Auf diese Unterkunft schätzte er mich ein, dorthin schien ich ihm zu gehören, und ich konnte seine Entscheidung nur mit einem »C’est exact« bestätigen, das er radebrechend und lachend wiederholte, indem er sich auf seinen Sitz schwang und dem Pferd einen Klaps mit dem Zügel gab. »C’est exact – c’est exact«, wiederholte er noch mehrmals, vergnüglich trällernd, auf der kurzen Fahrt zum Hotel. Nur durch ein wenig Straßenenge ging es, dann tat ein breiter und weitläufiger Boulevard sich auf, die Avenida da Liberdade, eine der prächtigsten Straßen, die mir je vorgekommen, dreifach laufend, mit einer elegant belebten Fahr- und Reitbahn in der Mitte, zu deren Seiten noch zwei wohlgepflasterte

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