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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ich nur ein Rekrut sei.
       »Treten Sie näher heran!« sagte der Stabsarzt. Seine Stimme war meckernd und etwas schwach. Ich gehorchte
    ihm willig, und dicht vor ihm stehend tat ich mit einer
gewissen törichten, doch nicht ungefälligen Bestimmtheit
den Ausspruch:
»Ich bin vollkommen diensttauglich.«
    »Das entzieht sich Ihrer Beurteilung!« versetzte ärgerlich jener, indem er den Kopf vorstreckte und lebhaft schüttelte. »Antworten Sie auf das, was ich Sie frage, und enthalten Sie sich eigener Bemerkungen!«
    »Gewiß, Herr Generalarzt«, sprach ich leise, obgleich ich wohl wußte, daß er nichts weiter als Oberstabsarzt war, und blickte ihn mit erschockenen Augen an. Ich erkannte ihn jetzt ein wenig besser. Er war mager von Gestalt, und der Uniformrock saß ihm faltig und schlotterig am Leibe. Die Ärmel, mit Aufschlägen, die fast bis zum Ellenbogen reichten, waren zu lang, so daß sie die Hälfte der Hände mit bedeckten und nur die dürren Finger daraus hervorragten. Ein schmaler und spärlicher Vollbart, farblos dunkel wie das aufrechtstehende Haupthaar, verlängerte sein Gesicht, und zwar um so mehr, als er den Unterkiefer, bei halboffenem Munde und hohlen Wangen, hängen zu lassen liebte. Vor seinen geröteten Augenritzen saß ein Zwicker in Silberfassung, der verbogen war, dergestalt, daß sein eines Glas dem Lide behinderlich auflag, während das andere weit vom Auge abstand.
    Dies war das Äußere meines Partners, und er lächelte hölzern ob meiner Anrede, indem er einen Blick aus dem Augenwinkel zum Kommissionstische gleiten ließ. »Heben Sie die Arme! Nennen Sie Ihr Zivilverhältnis!« sagte er und legte mir gleichzeitig, wie der Schneider tut, ein grünes, weißbeziffertes Meterband um Brust und Rücken.
    »Ich beabsichtige«, antwortete ich, »die Hotelkarriere einzuschlagen.«
    »Die Hotelkarriere? So, Sie beabsichtigen. Nämlich zu welchem Zeitpunkt?«
    »Ich und die Meinen sind übereingekommen, daß ich diese Lauf bahn antreten werde, nachdem ich meiner militärischen Dienstpflicht genügt habe.«
    »Hm. Ich habe nicht nach den Ihren gefragt. Wer sind die Ihren?«
    »Professor Schimmelpreester, mein Pate, und meine Mutter, Witwe eines Champagnerfabrikanten.« »So, so, eines Champagnerfabrikanten. Und was treiben Sie denn zur Zeit? Sind Sie nervös? Warum rucken und zucken Sie so mit den Schultern?«
    Wirklich hatte ich, seit ich hier stand, halb unbewußt und ganz aus dem Stegreif ein keineswegs aufdringliches, aber häufig wiederkehrendes und in der Ausführung eigentümliches Schulterzucken angenommen, das mir aus irgendeinem Grunde am Platze schien. Ich erwiderte nachdenklich:
    »Nein, daß ich nervös sein könnte, ist mir noch nie
in den Sinn gekommen.«
»Dann unterlassen Sie das Zucken!«
    »Ja, Herr Generalarzt«, sagte ich beschämt, zuckte jedoch in demselben Augenblick aufs neue, was er zu übersehen schien.
       »Ich bin nicht Generalarzt«, fuhr er mich scharf mekkernd an und schüttelte den vorgestreckten Kopf so heftig, daß der Nasenzwicker ihm zu entfallen drohte und er genötigt war, ihn mit allen fünf Fingern seiner Rechten wieder festzusetzen, ohne jedoch dem Grundübel des Verbogenseins dadurch abhelfen zu können.
       »Dann bitte ich um Verzeihung«, entgegnete ich sehr leise und beschämt.
       »Beantworten Sie also meine Frage!«
       Ratlos, verständnislos sah ich mich um, blickte auch, gleichsam bittend, die Reihe der Kommissionsherren entlang, in deren Haltung ich eine gewisse Teilnahme und Neugier zu bemerken glaubte. Endlich seufzte ich schweigend.
       »Nach Ihrer derzeitigen Beschäftigung habe ich Sie gefragt.«
       »Ich unterstütze«, antwortete ich sofort mit verhaltener Freudigkeit, »meine Mutter bei dem Betrieb eines größeren Fremdenheimes oder Boardinghauses zu Frankfurt am Main.«
       »Allen Respekt«, sagte er ironisch. »Husten Sie!« befahl er unmittelbar darauf; denn er hatte mir nun sein schwarzes Hörrohr angesetzt und horchte gebückt auf die Schläge meines Herzens.
       Öfter mußte ich künstlichen Husten ausstoßen, während er mit seinem Gerät auf meinem Körper umherrückte. Hierauf vertauschte er das Rohr mit einem kleinen Hammer, den er von einem nebenstehenden Tischchen nahm, und ging zum Klopfen über.
       »Haben Sie schwerere Krankheiten überstanden?« fragte er zwischendurch.
       Ich antwortete:
       »Nein, Herr Militärarzt! Schwerere niemals! Meines Wissens bin ich ganz gesund, war

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