Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Schaumweinfabrik am Rheine«, sagte ich höflich, indem ich seine Worte zugleich bestätigte und verbesserte.
»Richtig, eine Schaumweinfabrik! Und da war er denn also wohl ein vorzüglicher Weinkenner, Ihr Vater?« »Das will ich meinen, Herr Stabsphysikus!« sprach ich fröhlich, während am Kommissionstisch eine Bewegung der Heiterkeit sich bemerkbar machte. »Ja, das war er.« »Und auch kein Duckmäuser für seine Person, sondern Liebhaber eines guten Tropfens, nicht wahr, und, wie man sagt, ein rechter Zecher vor dem Herrn?« »Mein Vater«, versetzte ich ausweichend, indem ich meine Munterkeit gleichsam zurücknahm, »war die Lebenslust selbst. Soviel kann ich bejahen.« »So, so, die Lebenslust. Und woran starb er?«
Ich verstummte. Ich blickte ihn an, ich schlug mein Gesicht zu Boden. Und mit veränderter Stimme erwiderte ich:
»Wenn ich den Herrn Bataillonsmedikus höflichst bitten dürfte, auf dieser Frage gütigst nicht weiter bestehen zu wollen …«
»Sie haben hier keinerlei Auskunft zu verweigern!« antwortete er mit strengem Meckern. »Was ich Sie frage, frage ich mit Bedacht, und Ihre Angaben sind von Wichtigkeit. In Ihrem eigenen Interesse ermahne ich Sie, uns die Todesart Ihres Vaters wahrheitsgemäß zu nennen.«
»Er empfing ein kirchliches Begräbnis«, sagte ich mit ringender Brust, und meine Erregung war zu groß, als daß ich die Dinge der Ordnung nach hätte vortragen können. »Dafür kann ich Beweis und Papiere beibringen, daß er kirchlich bestattet wurde, und Erkundigungen werden ergeben, daß mehrere Offiziere und Professor Schimmelpreester hinter dem Sarg schritten. Geistlicher Rat Chateau erwähnte selbst in seiner Gedächtnisrede«, fuhr ich immer heftiger fort, »daß das Schießzeug unversehens losgegangen sei, als mein Vater prüfungsweise damit hantiert habe, und wenn seine Hand gezittert hat und er nicht völlig Herr seiner selbst war, so geschah es, weil groß Ungemach uns heimgesucht hatte …« Ich sagte »groß Ungemach« und gebrauchte auch sonst einige ausschweifende und träumerische Ausdrücke. »Der Ruin hatte mit hartem Knöchel an unsere Tür geklopft«, sagte ich außer mir, indem ich sogar zur Erläuterung mit dem gekrümmten Zeigefinger in die Luft pochte, »denn mein Vater war in die Netze böser Menschen gefallen, Blutsauger, die ihm den Hals abschnitten, und es wurde alles verkauft und verschleudert … die Glas… harfe«, stotterte ich unsinnig und verfärbte mich fühlbar, denn nun sollte das ganz und gar Abenteuerliche mit mir geschehen, »das Äols… rad…« Und in diesem Augenblick geschah folgendes mit mir.
Mein Gesicht verzerrte sich – aber damit ist wenig gesagt. Es verzerrte sich auf eine meiner Meinung nach völlig neue und schreckenerregende Art, so, wie keine menschliche Leidenschaft, sondern nur teuflischer Einfluß und Antrieb ein Menschenantlitz verzerren kann. Meine Züge wurden buchstäblich nach allen vier Seiten, nach oben und unten, rechts und links auseinandergesprengt, um gleich darauf wieder gegen die Mitte gewaltsam zusammenzuschrumpfen; ein abscheulich einseitiges Grinsen zerriß danach meine linke, dann meine rechte Wange, während es das zugehörige Auge mit furchtbarer Kraft verkniff, das entgegengesetzte aber so unmäßig erweiterte, daß mich das deutliche und fürchterliche Gefühl ankam, der Apfel müsse herausspringen, und das hätte er immerhin tun mögen – mochte er doch! Es kam nicht darauf an, ob er aussprang, und für zärtliche Sorge um ihn war dies jedenfalls nicht der Augenblick. Wenn aber ein so widernatürliches Mienenspiel nach außen hin wohl jenes äußerste Befremden erregen mochte, das als Entsetzen bezeichnet wird, so bildete es doch nur Einleitung und Anbeginn eines wahren Hexensabbats von Fratzenschneiderei, einer ganzen Grimassenschlacht, die sich während der nächsten Sekunden auf meinem jugendlichen Antlitz abspielte. Die Abenteuer meiner Züge im einzelnen durchzunehmen, die greulichen Stellungen eingehend abzuschildern, in welche mein Mund, meine Nase, meine Brauen und meine Wangen, kurz alle meine Gesichtsmuskeln gerieten – und zwar unter steter Abwechslung und ohne daß eines der Mißgesichter sich wiederholt hätte –, eine solche Beschreibung wäre ein allzu weitläufiges Unternehmen. Nur soviel sei gesagt, daß gemütliche Vorgänge, die diesen physiognomischen Phänomenen etwa entsprochen hätten, daß Empfindungen so blödseliger Heiterkeit, krassen Erstaunens, irrer
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