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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sie sich sehr wenig, sagten höchstens im Scherz zu mir, als ob sie mich erwartet hätten: »Ah, te violà. Comme nous étions impatients que la boutique deviendrait complète!« Einer bestätigte mir, daß das Oberbett frei sei, das Stanko mir gewiesen. Ich stieg hinauf, brachte meinen Koffer in dem zugehörigen Wandfach unter, legte, auf dem Bett sitzend, meine Kleider ab und fiel, kaum daß mein Kopf das Kissen berührte, in den süßen und gründlichen Schlaf der Jugend.

    Achtes Kapitel

    M ehrere Weckuhren gellten und rasselten fast gleich zeitig los, noch im Dunkeln, denn es war erst sechs Uhr, und die zuerst aus den Betten kamen, zündeten die Deckenbirne wieder an. Nur Stanko kümmerte sich nicht um die Reveille und blieb liegen. Da ich vom Schlaf sehr erfrischt und heiter war, konnte mich das lästige Gedränge von zerzausten, gähnenden, die Glieder reckenden und ihre Nachthemden über den Kopf ziehenden Burschen im engen Mittelgange der Koje nicht allzusehr verstimmen. Auch den Streit um die fünf Waschgelegenheiten – fünf für sieben der Reinigung bedürftige Gesellen – ließ ich meinem Frohsinn nichts anhaben, ungeachtet daß das Wasser in den Krügen nicht reichte und einer um den anderen splitternackt auf den Gang hinauslaufen mußte, um aus der Leitung neues zu holen. Auch bekam ich, als ich es den anderen mit Seifen und Planschen gleichgetan, nur ein schon sehr feuchtes Handtuch, das zum Abtrocknen wenig mehr taugte. Dafür durfte ich teilhaben an einigem heißen Wasser, das der Liftboy und der Kellnerlehrling sich gemeinsam auf einem Spirituskocher zum Rasieren bereiteten, und konnte, während ich mit schon geübten Strichen mein Messer über Wangen, Lippe und Kinn führte, mit ihnen in eine Spiegelscherbe blicken, die sie auf den Fenstergriff zu praktizieren gewußt hatten.
       »Hé, beauté«, sagte Stanko zu mir, als ich, gescheitelten Haares und reinen Angesichts, um mich fertig anzukleiden und, wie alle es taten, mein Bett in Ordnung zu bringen, in den Schlafraum hinüberkam. »Hans oder Fritz, wie heißt du?« »Felix, wenn es Ihnen recht ist«, antwortete ich.
    »Auch gut. Wollen Sie so gut sein, Felix, mir aus der Kantine eine Tasse Café au lait mitzubringen, wenn Sie gefrühstückt haben? Ich bekomme sonst, bis mittags vielleicht eine Schleimsuppe erscheint, überhaupt nichts.« »Mit Vergnügen«, erwiderte ich. »Gern will ich das tun. Ich bringe Ihnen vor allem einmal eine Tasse und komme dann sehr bald noch einmal wieder.« Ich sagte das aus zwei Gründen. Erstens weil beunruhigenderweise mein Koffer zwar ein Schloß hatte, mir aber der Schlüssel dazu fehlte und ich dem Stanko keineswegs über den Weg traute. Zweitens aber, weil ich an das gestrige Gespräch mit ihm wieder anknüpfen und zu vernünftigeren Bedingungen die Adresse von ihm zu erfahren wünschte, die er mir angeboten.
    In der geräumigen Cantine des employés, zu der man sich über den Gang, bis an sein Ende, begab, war es warm und anmutend durch den Duft des Morgengetränks, das der Cantinier und seine sehr dicke und mütterliche Frau hinter dem Buffet aus zwei blanken Maschinen in Tassen füllten. Der Zucker lag schon in den Schalen, und die Frau goß Milch nach und fügte jeder eine Brioche hinzu. Ein großes Gedränge von allerlei Hotelgesinde aus verschiedenen Dortoirs war hier, Saalkellner darunter in blauen Fräcken mit Goldknöpfen. Meistens trank und aß man im Stehen, aber auch für einige Tischchen war Sorge getragen. Meinem Versprechen gemäß erbat ich von der Mütterlichen eine Tasse »pour le pauvre malade du numéro quatre«, und sie reichte mir eine, indem sie mir mit dem Lächeln, an das ich fast von jedermann gewöhnt war, ins Gesicht blickte. »Pas encore équipé?« fragte sie, und ich erklärte ihr kurz meine Lage. Dann eilte ich zu Stanko zurück, ihm seinen Kaffee zu bringen, und wiederholte ihm, daß ich sehr bald wieder vorsprechen würde. Er lachte höhnisch hinter mir drein, da er meine beiden Gründe recht wohl verstand.
    Wieder in der Kantine, sorgte ich denn auch für mich, schlürfte meinen Café au lait, der mir außerordentlich mundete, da ich lange nichts Warmes genossen hatte, und aß meine Brioche dazu. Der Raum begann sich zu leeren, da es allgemach sieben Uhr geworden war. So konnte ich es mir an einem der mit Wachstuch bespannten Tischchen bequem machen, zusammen mit einem befrackten Commis de salle schon reiferen Alters, der sich Zeit nahm, ein Päckchen Zigaretten

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