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Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul

Titel: Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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einer und blickte, auf den Ellbogen gestützt, zu mir hinab. Meine Umschau war nicht genau genug gewesen, die Gegenwart des Menschen früher wahrzunehmen. Er mochte dort oben gelegen haben, die Decke über den Kopf gezogen. Es war ein junger Mann, der eine Rasur hätte brauchen können, so schwarz war das Kinn ihm schon, mit wirrem Bett-Liege-Haar, einem Backenbärtchen und slavisch geschnittenen Augen. Sein Gesicht war fiebrig gerötet, aber obgleich ich sah, daß er wohl krank sein müsse, gaben Verdruß und Verwirrung mir die ungeschickte Frage ein:
       »Was machen denn Sie da oben?«
       »Ich?« antwortete er. »Es wäre wohl eher an mir, zu fragen, was du da unten Interessantes treibst.«
       »Wollen Sie mich, bitte, nicht duzen«, sagte ich gereizt. »Ich wüßte nicht, daß wir verwandt oder sonst vertraut miteinander wären.«
       Er lachte und erwiderte nicht ganz zu Unrecht: »Na, was ich da bei dir gesehen, ist schon danach angetan, eine gewisse Vertraulichkeit zwischen uns zu stiften. Dein Mütterlein hat dir das nicht ins Felleisen gepackt. Zeig mal deine Händchen her, wie lang deine Finger sind, oder wie lang du sie machen kannst!« »Reden Sie keinen Unsinn!« sagte ich. »Bin ich Ihnen Rechenschaft schuldig über mein Eigentum, nur weil Sie indiskret genug waren, mir zuzusehen, ohne mich auf Sie aufmerksam zu machen? Das ist sehr schlechter Ton –«
    »Ja, du bist mir der Rechte, das Maul aufzureißen«, versetzte er. »Laß nur die Ziererei, man ist auch kein Bärenhäuter. Im übrigen kann ich dir sagen, daß ich bis vor ganz kurzem geschlafen habe. Ich liege hier mit Influenza den zweiten Tag und habe dreckige Kopfschmerzen. Da wache ich auf und frage mich, ohne gleich Laut zu geben: Womit spielt der liebliche Knabe da? Denn hübsch bist du, das muß dir der Neid lassen. Wo wäre ich heute mit deinem Frätzchen!«
    »Mein Frätzchen ist kein Grund, mich dauernd du zu nennen. Ich werde kein Wort mehr mit Ihnen reden, wenn Sie’s nicht lassen.«
    »Ach Gott, mein Prinz, ich kann ja auch ›Hoheit‹ zu Ihnen sagen. Dabei sind wir doch Kollegen, soviel ich verstehe. Du bist ein Neuer?«
    »Die Direktion hat mich allerdings«, antwortete ich ihm, »hierher geleiten lassen, damit ich mir ein freies Bett wähle. Morgen soll ich meinen Dienst antreten in diesem Hause.«
    »Als was?« »Darüber ist noch nicht verfügt worden.«
    »Sonderbar. Ich habe in der Küche zu tun, das heißt: im Gardemanger bei den kalten Schüsseln. – Das Bett, auf dem du Platz nahmst, ist nicht frei. Das übernächste Oberbett da, das ist frei. – Was bist du denn für ein Landsmann?«
    »Ich bin heute abend aus Frankfurt eingetroffen.«
    »Und ich bin Kroate«, sagte er auf deutsch. »Aus Agram. Dort habe ich auch schon in einer Restaurant-Küche gearbeitet. Aber seit drei Jahren bin ich in Paris. Weißt du denn Bescheid in Paris?« »Was meinen Sie mit ›Bescheid‹?«
    »Das weißt du ganz gut. Ich meine ob du eine Ahnung
hast, wo du dein Zeug da zu leidlichem Preise versilbern
kannst.«
»Das wird sich finden.«
    »Von selber nicht. Und es ist sehr unklug, sich lange mit so einem Funde zu schleppen. Wenn ich dir eine sichere Adresse nenne, wollen wir dann Halbpart machen?« »Was fällt Ihnen ein, Halbpart! Und das für nichts als eine Adresse!«
    »Die einem Grünschnabel wie dir aber not tut wie’s liebe Brot. Überleg dir’s. Ich will dir sagen, die Brillantkette –«
    Hier wurden wir unterbrochen. Die Tür ging auf, und mehrere junge Leute kamen herein, deren Ruhestunde geschlagen hatte: ein Liftboy in grauer Livree mit rotem Litzenbesatz, zwei Laufungen in blauem, hochgeschlos senem Kamisol mit zwei Reihen Goldknöpfen daran und Goldstreifen an den Hosen, ein herangewachsener Bursche in blaugestreifter Jacke, der seine Schürze über dem Arm trug und wahrscheinlich im niederen Küchendienst, als Geschirrwäscher oder ähnlich, beschäftigt war. Nicht lange, so folgten ihnen noch ein Chasseur von Bobs Klasse und einer, der, nach dem weißen Kittel zu urteilen, den er zu seinen schwarzen Hosen trug, für einen Kellnerlehrling oder Aide gelten mochte. Sie sagten »Merde!« und, da auch Deutsche dabei waren: »Verflucht noch mal!« und »Hol’s der Geier!« – Stoßflüche, die wohl ihrem für diesmal beendeten Tagewerk galten –, riefen zu dem Bettlägerigen hinauf: »Hallo, Stanko, wie schlecht geht es dir?«, gähnten überlaut und fingen gleich alle an, sich auszuziehen. Um mich kümmerten

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