Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Trachten darauf gerichtet, Ihnen, monsieur le directeur, meine Aufwartung zu machen und ausschließlich von Ihnen Anweisungen zu erhalten, wie und wo, in welcher Art von Dienst ich mich dem Etablissement nützlich erweisen kann.«
»Mon Dieu, mon Dieu!« hörte ich ihn murmeln, während er jedoch einem Bort der Seitenwand ein umfangreiches Buch entnahm, worin er, wiederholt zwei Mittelfinger seiner Rechten an der Lippe benetzend, ärgerlich blätterte. Nachdem er irgendwo haltgemacht, sagte er zu mir: »Auf alle Fälle verschwinden Sie jetzt schleunigst von hier und ziehen sich an einen Ort zurück, der Ihnen besser geziemt als dieser! Ihre Einstellung ist vorgesehen, soviel ist richtig –«
»Das ist aber der springende Punkt«, bemerkte ich.
»Mais oui, mais oui! – Bob«, wandte er sich rückwärts an einen der halbwüchsigen Chasseurs, welche, die Hände auf ihren Knien und irgendwelcher Mission gewärtig, im Hintergrund des Bureaus auf einer Bank saßen, »zeigen Sie diesem hier den Dortoir des employés Nummer vier im Oberstock! Benutzen Sie den Élévateur de bagage! Sie werden morgen früh von uns hören«, warf er mir noch hin. »Fort!«
Der sommersprossige Knabe, ein Engländer offenbar, ging mit mir.
»Sie sollten ein wenig meinen Koffer tragen«, sagte ich unterwegs zu ihm. »Ich versichere Sie, daß mir schon beide Arme lahm davon sind.«
»Was geben Sie mir dafür?« fragte er in breitem Fran
zösisch.
»Ich habe nichts.«
»Dann nehme ich ihn auch so. Freuen Sie sich nicht auf den Dortoir Nummer vier! Er ist sehr schlecht. Wir sind alle sehr schlecht untergebracht. Auch die Verpflegung ist schlecht, sowie die Bezahlung. Aber an Strike ist nicht zu denken. Zu viele sind bereit, an unsere Stelle zu treten. Man sollte diesen ganzen ausbeuterischen Kasten in Asche legen. Ich bin Anarchist, müssen Sie wissen, voilà ce que je suis.«
Es war ein sehr netter, kindlicher Junge. Wir fuhren zusammen im Gepäck-Lift zum fünften Stock, dem Dachgeschoß, hinauf, und dort überließ er es mir, meinen Koffer wieder aufzunehmen, wies auf eine Tür am Gange, der spärlich erleuchtet und ohne Läufer war, und sagte Bonne chance.
Das Schild an der Tür besagte das Rechte. Zur Vorsicht klopfte ich an, aber es erfolgte keine Antwort, und obgleich es nach zehn Uhr geworden war, erwies sich der Schlafraum noch als vollkommen finster und leer. Sein Anblick, als ich die elektrische Birne entzündet hatte, die nackt und bloß von der Decke hing, erregte in der Tat geringes Behagen. Acht Betten mit grauen Friesdecken und flachen, sichtlich längere Zeit nicht gewaschenen Kopfkissen waren kojenartig je zwei und zwei übereinander an den Seitenwänden angeordnet, und zwischen ihnen gab es bis zur Höhe der oberen Lager hinauf offene Wandborte, auf denen die Koffer der hier Nächtigenden untergebracht waren. Sonst bot das Zimmer, dessen einziges Fenster auf einen Luftschacht zu gehen schien, keinerlei Bequemlichkeit, und es war auch kein Raum dafür, da seine Breite bedeutend hinter seiner Länge zurückstand, so daß in der Mitte geringe Bewegungsfreiheit blieb. Man hatte wohl seine Kleider bei Nacht am Fußende seines Bettes oder auf seinem Koffer im Wandbort niederzulegen.
Nun, dachte ich, so hättest du es dich nicht so viel kosten zu lassen brauchen, um der Kaserne zu entgehen, denn spartanischer als dieses Gemach hätte sie dich auch nicht empfangen, wahrscheinlich sogar etwas kosiger. Auf Rosen gebettet aber war ich ja schon lange nicht – schon seit dem In-Luft-Aufgehen meines heiteren Elternhauses nicht mehr gewesen und wußte überdies, daß Mensch und Umstände in einiger Zeit einen leidlichen Akkord eingehen, ja daß diese, so hart sie sich zunächst anlassen mögen, wenn nicht stets, so doch für glücklichere Naturen eine gewisse Biegsamkeit besitzen, die nicht ausschließlich auf Gewöhnung beruht. Dieselben Verhältnisse sind nicht für jedermann dieselben, und das allgemein Gegebene, so möchte ich behaupten, unterliegt sehr weitgehend der Modifizierung durch das Persönliche.
Man verzeihe diese Abschweifung eines zur Weltbemerkung nun einmal aufgelegten Kopfes, der zur Beobachtung des Lebens nicht so sehr durch dessen häßliche und brutale, als durch seine zarten und liebenswürdigen Seiten angehalten wird. – Eines der Wandborte war leer, woraus ich schloß, daß auch von den acht Betten eines vakant sein möchte; nur wußte ich nicht welches – zu meinem Bedauern, denn ich war
Weitere Kostenlose Bücher