Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Juwelierauslagen zu Hause in Frankfurt waren immer mein Lieblingsstudium. Sie meinen aber wohl nicht, daß ich die vollen achtzehntausend werde bekommen können?«
»Nein, Seelchen, das meine ich nicht. Aber wenn du dich nur ein bißchen zu wehren weißt und nicht zu all und jedem dein ›Immerhin‹ sagst, so solltest du’s gut auf die Hälfte doch bringen können.« »Neuntausend Franken also.«
»Zehntausend. Soviel wie in Wahrheit bloß schon die
Diamantkette wert ist. Darunter darfst du es, wenn du halbwegs ein Mann bist, keineswegs tun.« »Und wohin raten Sie mir, mich zu wenden?«
»Aha! Jetzt soll ich dem Schönen was schenken. Jetzt soll ich dem Pinsel aus purer Verliebtheit meine Kenntnisse gratis auf die Nase binden.«
»Wer spricht von gratis, Stanko. Ich bin doch natürlich bereit, mich Ihnen erkenntlich zu zeigen. Nur fand und finde ich, was Sie gestern von Halbpart sagten, doch etwas übertrieben.«
»Übertrieben? Halbpart ist bei solchem Gemeinschaftsgeschäft die natürlichste Teilung von der Welt, die Teilung, wie sie im Buche steht. Du vergißt, daß du ohne mich so hilflos bist wie der Fisch auf dem Trocknen und daß ich dich außerdem bei der Direktion verpfeifen kann.«
»Schämen Sie sich, Stanko! So etwas sagt man nicht einmal, geschweige daß man es täte. Sie denken auch nicht daran, es zu tun, und müssen mich schon bei der Überzeugung lassen, daß Sie ein paar tausend Franken dem Verpfeifen vorziehen werden, von dem Sie gar nichts haben.«
»Du unterstehst dich, mir mit ein paar tausend Franken zu kommen?«
»Darauf läuft es, locker geredet, hinaus, wenn ich Ihnen loyalerweise ein Drittel der zehntausend Franken zubillige, die ich nach Ihrer Meinung lösen muß. Sie sollten mich loben dafür, daß ich mich ein bißchen zu wehren weiß, und sollten das Vertrauen daraus schöpfen, daß ich auch bei dem Halsabschneider meinen Mann stehen werde.«
»Komm her!« sagte er und sagte, als ich nahe zu ihm
herangetreten war, gedämpft und deutlich:
»Quatre-vingt-douze, Rue de l’Échelle au Ciel.«
»Quatre-vingt-douze, Rue de …«
»Échelle au Ciel. Kannst du nicht hören?«
»Was für ein ausgefallener Name!«
»Wenn sie doch seit Hunderten von Jahren so heißt? Nimm den Namen als gutes Omen! Es ist eine sehr würdige kleine Straße, nur etwas weit, irgendwo hinter dem Cimetière Montmartre. Du hilfst dir am besten nach Sacré-Cœur hinauf, was ein klares Ziel ist, gehst durch den Jardin zwischen Kirche und Friedhof und verfolgst die Rue Damrémont in der Richtung auf den Boulevard Ney. Bevor die Damrémont auf die Championnet stößt, geht ein Sträßchen nach links, Rue des Vierges prudentes, und von der zweigt deine Échelle ab. Du kannst im Grunde nicht fehlen.« »Wie heißt der Mann?«
»Einerlei. Er nennt sich Uhrmacher und ist es auch unter anderm. Mach, und benimm dich nicht gar zu ähnlich wie ein Schaf! Ich habe dir die Adresse nur gesagt, um dich loszuwerden und meine Ruhe zu haben. Was mein Geld betrifft, so merk dir, daß ich dich jederzeit verpfeifen kann.« Er drehte mir den Rücken.
»Ich bin Ihnen aufrichtig verbunden, Stanko«, sagte ich. »Und seien Sie versichert, daß ich Ihnen keinen Anlaß geben werde, sich bei der Direktion über mich zu beklagen!«
Damit ging ich, im stillen mir die Adresse wiederholend. Ich kehrte in die nun vollkommen verödete Kantine zurück, denn wo sollte ich sonst wohl Aufenthalt nehmen? Ich hatte zu warten, bis man sich drunten meiner erinnern würde. Zwei gute Stunden saß ich, ohne mir die geringste Ungeduld zu erlauben, an einem der Wachstuchtischchen, rauchte noch einige meiner Caporals und hing meinen Gedanken nach. Es war zehn Uhr nach der Wanduhr in der Kantine, als ich auf dem Gang mit spröder Stimme meinen Namen rufen hörte. Ich war noch nicht an der Tür, als der Chasseur schon durch diese hereinrief:
»L’employé Félix Kroull – zum Herrn Generaldirektor!«
»Das bin ich, lieber Freund. Nehmen Sie mich nur mit. Und wär’ es der Präsident der Republik, ich bin ganz bereit, mich vor ihn zu stellen.«
»Soviel besser, lieber Freund«, gab er ziemlich frech meine freundliche Anrede zurück und maß mich mit den Blicken. »Folgen Sie mir, wenn’s gefällig ist!« Wir stiegen eine Treppe hinab, und im vierten Stock, dessen Gänge viel breiter waren als der unsere oben und mit schönen roten Läufern belegt, klingelte er nach einem der Personen-Aufzüge, die hier mündeten. Wir
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