Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
reisemüde, und meine Jugend verlangte nach Schlaf, während mir doch nichts übrigblieb, als die Ankunft der Zimmergenossen abzuwarten. Eine Weile noch unterhielt ich mich damit, den anstoßenden Waschraum zu inspizieren, zu dem die Seitentür offenstand. Es gab da fünf Waschtisch-Gestelle gemeinster Art mit Linoleum-Vorlagen, Schüsseln und Krügen, Eimern daneben und am Seitengestänge aufgehängten Handtüchern. An Spiegeln fehlte es ganz. Statt dessen waren an Tür und Wänden, wie übrigens auch im Bettgemach, soweit dort der Raum es zuließ, allerlei aus Magazinen geschnittene Bilder lockender Frauenzimmer mit Reißnägeln befestigt. Schlecht getröstet kehrte ich in den Schlafraum zurück, und um etwas zu tun, beschloß ich, vorsorglich schon mein Nachthemd dem Handkoffer zu entnehmen, stieß aber dabei auf das Saffiankästchen, das bei der Gepäckrevision so sanft hineingeglitten war, und machte mich, des Wiedersehens froh, an seine Untersuchung. Ob nicht die Neugier auf seinen Inhalt all die Zeit schon still in den geheimeren Bezirken meiner Seele gewaltet hatte und der Einfall, das Nachthemd hervorzuziehen, nur ein Vorwand gewesen war, mit dem Kästchen Bekanntschaft zu machen, will ich dahingestellt sein lassen. Auf einem der unteren Betten sitzend hielt ich es auf meinen Knien und nahm in der dringenden Hoffnung, nicht dabei gestört zu werden, seine Prüfung vor. Es hatte ein leichtes Schloß, das aber offen war, und nur durch einen kleinen, in eine Öse greifenden Haken war es versperrt. Nicht, daß ich die Schätze des Märchens darin gefunden hätte; aber sehr lieblich war, was es barg, zum Teil wahrhaft bewundernswert. Gleich obenauf, in dem Einsatz, der sein samtenes Innere gleichsam in zwei Stockwerke teilte, lag ein Hals- und Brustschmuck großer und mehrreihig angeordneter Goldtopase in ziselierter Fassung, wie ich ihn so herrlich noch in keinem Schaufenster gesehen, und wie er in einem solchen auch schwerlich vorkommen mochte, da er sichtlich nicht von moderner Arbeit war, sondern einem historischen Jahrhundert angehörte. Ich darf sagen, es war der Inbegriff der Pracht, und das süße, durchsichtig schimmernde Honiggold der Steine entzückte mich so herzlich, daß sich meine Augen lange nicht davon trennen konnten und ich nur zögernd den Einsatz lüftete, um in das Untere zu schauen. Dieser Teil war tiefer als der obere und weniger ausgefüllt, als dieser es durch den Topasschmuck war. Immerhin lachten mir reizende Dinge daraus entgegen, von denen ich jedes einzelne in genauer Erinnerung habe. Eine lange Kette aus kleinen, in Platin gefaßten Brillanten lag dort zum glitzernden Häufchen zusammengeballt. Es fanden sich ferner: ein sehr schöner, mit Silberranken verzierter Schildpattkamm, besetzt mit zahlreichen, freilich auch nur kleinen Brillanten; eine goldene, aus zwei Stäben bestehende Busennadel mit Platinspangen und oben geschmückt mit einem erbsengroßen, von zehn Brillanten umgebenen Saphir; eine mattgoldene Brosche, welche aufs zierlichste ein Körbchen mit Trauben darstellte; ein Armreif in Gestalt eines starken, nach unten sich verjüngenden Bügels mit Druckfeder-Verschluß, aus Platin ebenfalls, und im Werte erhöht durch eine in den Reif eingelassene, erhabene weiße Perle, umringt von à jour gefaßten Brillanten; dazu drei oder vier höchst angenehme Fingerringe, von denen einer eine graue Perle mit zwei großen und zwei kleinen Brillanten, ein anderer einen dunklen, dreieckigen Rubin, dekoriert mit Brillanten ebenfalls, trug.
Diese lieben Objekte nahm ich einzeln zur Hand und ließ ihre edlen Lichter in dem ordinären Schein der nackten Deckenbirne spielen. Wer aber beschreibt die Bestürzung, deren Beute ich war, als ich, vertieft in diese Unterhaltung, plötzlich eine von oben kommende Stimme vernahm, die trockenen Tones lautete: »Du hast da recht nette Sächelchen.«
Wenn es immer etwas Beschämendes hat, sich längere Zeit allein und unbeobachtet geglaubt zu haben, auf einmal aber belehrt zu werden, daß man es nicht war, so verschärften hier die Umstände die Unannehmlichkeit. Ein leichtes Zusammenfahren konnte ich wohl nicht verbergen, bezwang mich aber dann zu vollkommener Ruhe, schloß ohne Überstürzung die Kassette, brachte sie ebenso gemächlich wieder in meinem Koffer unter und erhob mich erst dann, um, etwas zurücktretend, dorthin hinaufzuschauen, von wo die Stimme gekommen war. Wahrhaftig, in dem Bett über dem, auf dem ich gesessen, lag
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