Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
Augen, nahm eine der sandfarbenen, rot garnierten Livreen, Jacke und Hose, von der Stange und packte sie mir ganz einfach auf den Arm. »Wäre nicht eine Anprobe ratsam?« fragte ich.
»Nicht nötig, nicht nötig. Was ich dir gebe, das paßt. Dans cet emballage la marchandise attirera l’attention des jolies femmes.«
Der verhutzelte Alte hätte wirklich etwas anderes im Kopfe haben können. Aber er redete wohl ganz mechanisch, und ebenso mechanisch zwinkerte ich zurück, nannte ihn zum Abschied »mon oncle« und schwor, daß ich ihm allein meine Carrière zu danken haben würde. Mit dem Aufzug, der bis hier hinunterging, fuhr ich zum fünften Stock hinauf. Ich hatte Eile, denn immer beunruhigte mich ein wenig die Frage, ob denn auch Stanko in meiner Abwesenheit meinen Koffer in Frieden lassen würde. Unterwegs gab es Klingelzeichen und Aufenthalte. Herrschaften, bei deren Eintritt ich mich bescheiden an die Wand drückte, beanspruchten den Lift: schon gleich in der Halle eine Dame, die nach dem zweiten Stock, im ersten ein englisch sprechendes Ehepaar, das nach dem dritten verlangte. Die einzelne Dame, welche zuerst einstieg, erregte meine Aufmerksamkeit – und allerdings ist hier das Wort »erregen« am Platze, denn ich betrachtete sie mit einem Herzklopfen, das nicht der Süßigkeit entbehrte. Ich kannte diese Dame. Obgleich sie keinen Glockenhut mit Reiherfedern, sondern eine andere, breitrandige und mit Atlas garnierte Kreation auf dem Kopfe trug, über die ein weißer, unterm Kinn zur Schlinge gebundener und lang auf den Mantel herabhängender Schleier gelegt war, und obgleich auch dieser Mantel ein anderer war als gestern, ein leichterer, hellerer, mit großen umsponnenen Knöpfen, konnte nicht der geringste Zweifel sein, daß ich meine Nachbarin von der Douane, die Dame vor mir hatte, mit der mich der Besitz des Kästchens verband. Ich erkannte sie vor allem an einem Aufreißen der Augen wieder, das sie während der Auseinandersetzung mit dem Zöllner beständig geübt hatte, das aber offenbar eine stehende Gewohnheit war, da sie es auch jetzt, ganz ohne Anlaß, jeden Augenblick wiederholte. Überhaupt ließen ihre an sich nicht unschönen Züge eine Neigung zu nervöser Verzerrung merken. Sonst gab es nichts, soviel ich sah, an der Komplexion dieser Brünetten von vierzig Jahren, was mir die zarten Beziehungen hätte verleiden können, in denen ich zu ihr stand. Ein kleines dunkles Flaumbärtchen auf der Oberlippe kleidete sie nicht übel. Auch hatten ihre Augen die goldbraune Farbe, die mir stets an Frauen gefiel. Wenn sie sie nur nicht immerfort so unerfreulich aufgerissen hätte! Ich hatte das Gefühl, ihr die zwanghafte Gewohnheit gütlich ausreden zu sollen.
Aber so waren wir denn gleichzeitig hier abgestiegen, – wenn ich auf meinen Fall das Wort »absteigen« anwenden durfte. Ein bloßer Zufall hatte verhindert, daß ich ihr nicht schon vor dem leicht errötenden Herrn in der Reception wiederbegegnet war. Ihre Nähe im engen Raum des Fahrstuhls benahm mir recht eigentümlich den Sinn. Ohne von mir zu wissen, ohne mich je gesehen zu haben, ohne meiner auch jetzt gewahr zu werden, trug sie mich gestaltlos in ihren Gedanken seit dem Augenblick, gestern abend oder heute morgen, wo ihr beim Ausleeren ihres Koffers das Fehlen des Kästchens auffällig geworden war. Dieser Nachstellung einen feindlichen Sinn beizulegen, konnte ich mich, sosehr das den um mich besorgten Leser verwundern mag, nicht überwinden. Daß ihr Meingedenken, ihr Fragen nach mir die Form gegen mich gerichteter Schritte annehmen könnte, daß sie vielleicht von solchen Schritten gerade zurückkehrte, diese naheliegende Möglichkeit kam mir flüchtig zwar in den Sinn, brachte es aber dort zu keiner ernstlichen Glaubwürdigkeit und vermochte nicht aufzukommen gegen den Zauber einer Situation, in welcher der Fragenden der Gegenstand ihres Fragens, ohne daß sie es ahnte, so nahe war. Wie bedauerte ich – bedauerte es für uns beide –, daß diese Nähe so kurz befristet war, nur bis zur zweiten Etage reichte! Als die, in deren Gedanken ich war, ausstieg, sagte sie zu dem rothaarigen Liftführer: »Merci, Armand.«
Es hatte sein Auffallendes und zeugte von ihrer Leutseligkeit, daß sie, so kürzlich erst angekommen, schon den Namen des Burschen wußte. Vielleicht kannte sie ihn länger und war ein wiederkehrender Gast des ›Saint James and Albany‹. Auch war ich betroffener noch von dem Namen selbst und davon, daß gerade
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