Bekenntnisse Des Hochstaplers Felix Krul
hing mit einer beglückenden, beinahe ekstatischen Erfülltheit vom Geiste des Fremden zusammen, in den ich mich versetzte, oder von dem ich ergriffen wurde, – einem Zustande der Inspiration, in welchem mir zu meinem eigenen Erstaunen, das nun wieder den Übermut meiner Travestie verstärkte, die Vokabeln, Gott weiß woher, nur so zuflogen. Was nun freilich vorerst einmal das Französische betraf, so hatte ja meine Zungenfertigkeit einen weniger geisterhaften Hintergrund.
»Ah, voyons, monsieur le directeur général«, sprudelte ich los, und zwar mit höchster Affektation. »Vous me demandez sérieusement si je parle français? Mille fois pardon, mais cela m’amuse! De fait, c’est plus ou moins ma langue maternelle – ou plutôt paternelle, parce que mon pauvre père – qu’il repose en paix! – nourrissait dans son tendre cœur un amour presque passionné pour Paris et profitait de toute occasion pour s’arrêter dans cette ville magnifique dont les recoins les plus intimes lui étaient familiers. Je vous assure: il connaissait des ruelles aussi perdues comme, disons, la Rue de l’Échelle au Ciel, bref, il se sentait chez soi à Paris comme nulle part au monde. La conséquence? Voilà la consequence. Ma propre éducation fut de bonne part française, et l’idée de la conversation, je l’ai toujours conçue comme l’idée de la conversation française. Causer, c’était pour moi causer en français et la langue française – ah, monsieur, cette langue de l’élégance, de la civilisation, de l’esprit, elle est la langue de la conversation, la conversation elle-même … Pendant toute mon enfance heureuse j’ai causé avec une charmante demoiselle de Vevey – Vevey en Suisse – qui prenait soin du petit gars de bonne famille, et c’est elle qui m’a enseigné des vers français, vers exquis que je me répète dès que j’en ai le temps et qui littéralement fondent sur ma langue –
Hirondelles de ma patrie, De mes amours ne me parlez-vous pas?«
»Hören Sie auf!« unterbrach er mein sturzbachgleiches Geplapper. »Hören Sie sofort auf mit der Poesie! Ich kann keine Poesie vertragen, sie kehrt mir den Magen um. Wir lassen hier in der Halle zum Five o’clock manchmal französische Dichter auftreten, wenn sie etwas anzuziehen haben, und lassen sie ihre Verse rezitieren. Die Damen haben das gern, aber ich halte mich so fern wie möglich davon, der kalte Schweiß bricht mir dabei aus.«
»Je suis désolé, monsieur le directeur général. Je suis violemment tenté de maudire la poésie –«
»Schon gut. Do you speak English?«
Ja, tat ich das? Ich tat es nicht, oder konnte doch höchstens für drei Minuten so tun, als täte ich es, soweit eben dasjenige reichte, was irgendwann einmal, in Langenschwalbach, in Frankfurt, vom Tonfall dieser Sprache an mein lauschendes Ohr geweht war, was ich an Brocken ihres Wortschatzes da oder dort aufgelesen. Worauf es ankam, war, aus einem Nichts von Material etwas für den Augenblick hinlänglich Verblendendes zu machen. Darum sagte ich – nicht etwa breit und platt, wie Unwissende sich wohl das Englische vorstellen, sondern mit den Spitzen der Lippen, säuselnd und die Nase dünkelhaft über alle Welt erhoben:
»I certainly do, Sir. Of course, Sir, quite naturally I do. Why shouldn’t I? I love to, Sir. It’s a very nice and comfortable language, very much so indeed, Sir, very. In my opinion, English is the language of the future, Sir. I’ll bet you what you like, Sir, that in fifty years from now it will be at least the second language of every human being …«
»Warum wenden Sie denn so die Nase in der Luft herum? Das ist nicht nötig. Auch Ihre Teorien sind überflüssig. Ich habe nur nach Ihren Kenntnissen gefragt. Parla italiano?«
In demselben Augenblick wurde ich zum Italiener, und statt säuselnder Verfeinerung überkam mich das feurigste Temperament. Froh erhob sich in mir, was ich je aus dem Munde meines Paten Schimmelpreester, der des öfteren und längeren in jenem sonnigen Lande gewesen war, von italienischen Lauten gehört hatte, und indem ich die Hand mit geschlossenen Fingerspitzen vor dem Gesicht bewegte, plötzlich aber alle ihre fünf Finger weit auseinander spreizte, rollte und sang ich:
»Ma Signore, che cosa mì domanda? Son veramente innamorato di questa bellissima lingua, la più bella del mondo. Ho bisogno soltanto d’aprire la mia bocca e involontariamente deventa il fonte di tutta
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